„Det er den draumen me ber på“ – Norwegens Weg zum Ehrengast

Nach der Leipziger Buchmesse mit Tschechien als Ehrengast geht es nun in den Norden. Norwegen ist das Gastland in Frankfurt. Ein Blick in den Veranstaltungskalender der Frühjahrsmesse erweckte den Eindruck, dass die Skandinavier bereits volle Fahrt aufgenommen haben für ihren großen Auftritt im Oktober. Allein 18 norwegische Autoren waren zu 40 Veranstaltungen in der sächsischen Messestadt zu erleben. Das schon traditionelle Nordische Forum in Halle 4 war größer, da Norwegen auf der Buchmesse mit einem eigenen Stand präsent war.

Sowohl zur ersten Präsentation in Frankfurt 2018 als auch nun in Leipzig zeigt das skandinavische Land vor allem eins: wie eng verknüpft die Literatur mit der Kulturpolitik ist, welchen Rang die Literatur in Gesellschaft und Politik hat. Nach Norwegens Kulturministerin Trine Skei Grande in Frankfurt war es nun die norwegische Staatssekretärin, Marianne Hagen, die für eine Präsentation nach Leipzig gekommen war: „Die Buchmesse in Frankfurt ist für Norwegen eine einzigartige Möglichkeit“, betonte Hagen. Dabei verfolgt Norwegen drei Ziele: auf die verschiedenen literarischen Stimmen, bekannte sowie weniger bekannte, des Landes aufmerksam zu machen, die Leseförderung in den Mittelpunkt zu stellen sowie die Buchmesse zu nutzen, um gesellschaftliche Werte zu verteidigen. „Die Meinungsfreiheit ist die Grundlage der Demokratie“, unterstrich die Staatssekretärin.

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Messechef Juergen Boos (v.l.), Halldór Guðmundsson, Margit Walsø, Marta Breen, Stefan Weidle, Lars Mytting, Anne B. Ragde, Pål Moddi Knutsen, Marianne Hagen und Lars Brandt. Foto: Sabine Felber

Organisator des Gastlandauftritts im Auftrag der norwegischen Regierung ist Norla (Norwegian Literature Abroad). Zu den Unterstützern zählen die Ministerien für Kultur, für Handel, Industrie und Fischerei und das Außenministerium, die Stadt Oslo sowie die Tourismusabteilung Visit Norway. Weitere Partner sind Unternehmen, Stiftungen, Universitäten, Autorenvereinigungen und Museen. Das Amt der Botschafterin der norwegischen Literatur übernahm Kronprinzessin Mette-Marit. „Die norwegische Literatur ist geprägt von einer großen Vielfalt und starken Stimmen in allen Genres. Ehrengast zu sein, ist für uns eine Gelegenheit, diese Stimmen und Geschichten mit der Welt zu teilen“, so Norla-Direktorin Margit Walsø.  In den kommenden Monaten werde es keine Woche geben, ohne dass ein norwegischer Autor in Deutschland zu Gast sein wird, verspricht Juergen Boos, der Direktor der Frankfurter Buchmesse. Derzeit werde das Programm sowie der Pavillon gestaltet. Ende April stehe ein Besuch in Norwegen an, so Boos weiter. Halldór Guðmundsson, der für den norwegischen Auftritt in Frankfurt verantwortlich zeichnet, stellte zudem die Bedeutung des Buchhandels für die Vermittlung von Literatur heraus. „Buchhandlungen sind wichtige Orte im Zusammenwirken mit dem Leser. Eine Zusammenarbeit ist deshalb wichtig.“

An der Präsentation im Übersetzerforum nahmen die Schriftsteller Anne B. Ragde, Lars Mytting und Marta Breen im Gespräch mit der Buchhändlerin Iris Hunscheid teil. Sie sprachen über ihre Bücher und ihre Protagonisten, aber beispielsweise auch über das Thema Feminismus. Norwegen gehört weltweit zu den Ländern, die bei der Gleichstellung von Frau und Mann die Spitzenpositionen einnehmen. „Wir brauchen keine Feministinnen mehr zu sein. Gleichberechtigung ist für uns ganz natürlich“, unterstrich Anne B. Ragde. Verlagschef Stefan Weidle sowie der Autor und Filmemacher Lars Brandt stellten ihr Buch mit den gesammelten Werken der norwegischen Autorin Dagny Juel (1867 – 1901) vor. Juel zählt zu den speziellen Stimmen der norwegischen Literatur, die selbst in ihrem Heimatland erst seit einiger Zeit Aufmerksamkeit erhalte.  Erst in den 1990er-Jahren war eine norwegische Werksausgabe erschienen, die nun die Vorlage eines ins Deutsche übertragenen Bandes bildet. „Es lohnt sich, sich mit ihr zu beschäftigen“, sagte Brandt. Die Norwegerin gehörte dem skandinavischen Künstlerkreis in Berlin an. Der Maler Edvard Munch sowie der Dramatiker August Strindberg waren ihre Freunde. Musikalisch begleitet wurde die Präsentation in Leipzig von dem Singer-Songwriter Pål Moddi Knutsen. 

Die erste Zeile aus dem Gedicht „Det er den Draumen“ des norwegischen Lyrikers und Übersetzers Olav H. Hauge (1908 – 1994) steht über dem Auftritt Norwegens als Gastland. Während eines Wettbewerbs des Rundfunksenders NRK im Jahr 2016 wurde dieses Gedicht, das 1966 in dem Band „Dropar i austavind“ erschienen war, als schönstes Gedicht gewählt.

„Det er den draumen“

Det er den draumen me ber på
at noko vedunderleg skal skje,
at det må skje –
at tidi skal opna seg,
at hjarta skal opna seg,
at dører skal opna seg,
at berget skal opna seg,
at kjeldor skal springa –
at draumen skal opna seg,
at me ei morgonstund skal glida inn
på ein våg me ikkje har visst um.                 

Das ist der Traum

Das ist der Traum, den wir tragen
daß etwas Wunderbares geschieht,
geschehen muß –
daß die Zeit sich öffnet,
daß das Herz sich öffnet,
daß Türen sich öffnen,
daß der Berg sich öffnet,
daß Quellen springen –
daß der Traum sich öffnet,
daß wir in einer Morgenstunde gleiten
in eine Bucht, um die wir nicht wußten.  

(Übersetzung Klaus Anders)

Norwegische Verlage präsentieren sich.

Die Buchmesse in Frankfurt 2019 findet vom 16. bis 20. Oktober statt. Norla als Organisator des norwegischen Gastland-Auftritts wurde 1978 gegründet. Seit 2004 wurden rund 5.500 norwegische Bücher in 66 Sprachen übersetzt. Nahezu in 80 deutschsprachigen Verlagen in Deutschland, der Schweiz und Österreich stehen mit Blick auf die Buchmesse Übersetzungen der Werke norwegischer Autoren an, aus ganz verschiedenen Genres und Themen, darunter hierzulande bereits berühmte Namen, aber auch noch unbekannte Autoren.  Das norwegische Literatursystem gilt als einzigartig. So gibt es die staatlich finanzierte Abnahmereglung, bei der jährlich von 550 bis 1500 Exemplare aus einer Liste von etwa 600 Neuerscheinungen angekauft  und öffentlichen Bibliotheken zugeführt werden. Wie in Deutschland herrscht die Buchpreisbindung, Bücher sind jedoch in Norwegen von der Mehrwertsteuer befreit.

Für mich waren die vergangenen Wochen seit der ersten Präsentation Norwegens in Frankfurt sehr spannend. Ich freue mich sehr auf die kommende Zeit – sowohl auf die Messe im Oktober als auch die norwegischen Titel, die ich in den nächsten Wochen und Monaten mehr als sonst lesen werde. Über Tipps würde ich mich sehr freuen.  Ha det bra!

5 Kommentare zu „„Det er den draumen me ber på“ – Norwegens Weg zum Ehrengast

  1. Was norwegische Literatur angeht, kennst du dich ja super aus! Für mich hingegen gibt es da noch sehr viel zu entdecken und zu lesen. Ich freue mich schon auf neue Tipps von dir!

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  2. Freue mich auch sehr auf deine Empfehlungen, liebe Constanze. Von mir kommt hier direkt ein Tipp für dich: bei DuMont erscheint im Herbst erstmals auf Deutsch ein Buch des Norwegers Stig Saeterbakken. Ich durfte schon „anlesen“ und finde es sprachlich genial und außerdem herrlich düster.
    Und dann natürlich der gerade bei Rowohlt erschienene Roman „Max, Mischa & die Tet-Offensive“ von Johan Harstad – ein Herzensbuch. Schöne Grüße :-)

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    1. Danke für Deinen tollen Vorausblick auf Saeterbakken. Da bin ich mal gespannt. Harstad liegt bereit. Ich freue mich sehr auf diesen dicken Wälzer. Ich habe zudem Tore Renbergs (Heyne) neuen Roman bei mir liegen. Ich hatte in der Vergangenheit ein Interview mit dessen Übersetzerin gemacht. Mal sehen, was die Herbstprogramme noch so alles bringen. Man kann gespannt sein. Viele Grüße nach Berlin

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