Margot Douaihy – „Verbrannte Gnade“

„Verletzte Menschen verletzen Menschen. Und geheilte Menschen heilen Menschen.“

Schwester Holiday ist ein lebender Widerspruch. Ihr bisheriges Leben teilt sich in ein Davor und Danach. Sie war Punkmusikerin und den Drogen nicht abgeneigt. Nun ist sie Nonne und unterrichtet Gitarre in der katholischen Klosterschule Saint Sebastian in New Orleans. Ihre Tattoos versteckt sie unter einem Halstuch und Handschuhen, in aller Verborgenheit raucht sie. Ein verheerender Brand in der Schule, bei dem Hausmeister Jack stirbt und zwei Schüler verletzt werden, gibt ihr keine Ruhe. Sie beginnt zu ermitteln. Denn die Ereignisse weisen gewisse Parallelen mit ihrem vorherigen Leben auf.

Lob aus der Krimibranche

„Verbrannte Gnade“ bildet den Auftakt einer neuen Krimi-Reihe mit der lesbischen Nonne im Zentrum des Geschehens. Ihre Schöpferin ist die US-amerikanische Autorin Margot Douaihy. Zu ihren Fans zählen unter anderem ihre beiden KollegInnen Don Winslow und Gillian Flynn. Douaihys Romane wurden von der New York Times und The Guardian als beste Krimis des Jahres ausgezeichnet. Nun hat die Reihe den Sprung über den großen Teich geschafft. Und der Verlag kündigt mit „Gesegnetes Wasser“ bereits den zweiten Streich an.

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Feuer steht in der Krimiwelt nicht unbedingt auf Rang 1 der Hitliste, wenn es um Mordwaffen geht. Und es wird auch nicht bei diesem einzigen Brand und dem einzigen Opfer bleiben. Ein perfider Feuerteufel hat zugeschlagen, der mit jeder Tat für Angst und Schrecken sorgt – vor allem aber für die Frage, wer steckt dahinter. Holiday ermittelt auf eigene Faust und nimmt selbst die Fäden in die Hand, weil sie zuerst auch als Verdächtige gilt, sorgt sie doch mit ihrem ungewöhnlichen Charakter für Misstrauen bei ihren KollegInnen, allen voran bei Schwester Honor, die ihr Strafarbeiten wie das mühsame Putzen der Buntglasfenster aufbrummt, während Oberin Augustine schützend die Hand über Holiday legt. Außerdem werden an den einzelnen Tatorten verschiedene Gegenstände, die wie speziell platziert wirken, gefunden, um den Verdacht auf Holiday zu lenken. Zunehmend wird das Schulleben eingeschränkt, die Diözese um den katholischen Bischof weitet ihren Einfluss auf den Orden aus.

Rückblicke in das frühere Leben

Offiziell übernehmen Brandermittlerin Riveaux von der Feuerwehr sowie Grogan und Decker von der Mordkommission die Ermittlungen. Während die beiden Polizisten das Treiben der neugierigen Nonne eher mit Argusaugen und einem gewissen Misstrauen beobachten, werden Holiday und Riveaux allmählich ein Team und Konkurrenten von Grogan und Decker.

Wie zweigeteilt das Leben der ausgefallenen Heldin, so ist auch die Handlung des Romans. Während die Schilderungen der Polizeiarbeit und die Ermittlungen etwas zähflüssig wirken, lebt der Roman vor allem von der auch tragischen Lebensgeschichte der Nonne, die in Rückblenden erzählt wird und fast spannender und komplexer ist als letztlich der eigentliche Fall, der auf der Stelle zu treten scheint, wobei der Täter dann doch wiederum überrascht.

„Ja, mein Gott ist ein sie, Plural, zu mächtig für eine einzige Person oder ein Geschlecht oder sonst eine Kategorie, die einfache Sterbliche je verstehen können.“

Holiday blickt auf ein wechselvolles Leben zurück. Ihr Vater war ein hochdekorierter Polizist, ihre Mutter Nonne. Ihr Bruder Moose und sie wuchsen in einem religiösen Umfeld auf. Ihre Homosexualität lehnten die Eltern kategorisch ab, für ihre Tochter brachten sie kaum Verständnis auf. Holiday rebellierte, spielte in einer Punkband, nahm Drogen, seit einer Kneipenschlägerei trägt sie einen Goldzahn. Ihre Flucht aus diesem früheren Leben ist die Folge einer schweren Schuld: Holiday sucht Buße als Schwester im Orden „Erhabenes Blut“ und will die Widersprüche in ihrem Leben miteinander versöhnen. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin engagiert sie sich in einem Frauengefängnis, wo sie junge Frauen, vor allem Schwangere, unterstützt.

„Guter Gott, warum hast du das Leben so unmöglich gemacht, dass wir die Welt nur gedämpft ertragen.“

Douaihy hat mit Schwester Holiday eine hochinteressante Ermittlerin zum Leben erweckt, deren rotzige Sprache und ironischen Kommentare sie darüber hinaus als Ich-Erzählerin hervorstechen lassen. Doch trotz allen Humors enthält der Roman auch eine ernste, nachdenklich stimmende Seite – nicht nur mit Blick auf die Bibelzitate und die zahlreichen Gedanken zum Glauben. Letztlich beschäftigt sich der Krimi mit aktuellen Fragen: Warum kann die Gesellschaft „Anderssein“ nicht tolerieren, wie beeinflussen Machtstrukturen in verschiedenen Bereichen das Leben der Menschen?

Eine pulsierende, schwer getroffene Stadt

Und dann spielt noch eine Stadt die Hauptrolle: New Orleans. Die pulsierende Metropole, die so unendlich gelitten hat. Am 29. August 2005 suchte Hurrikan Katrina die Stadt heim. 80 Prozent des Gebiets wurden überschwemmt, mehr als 1.800 Menschen starben, der Wirbelsturm verursachte Schäden von rund 100 Milliarden Dollar. Vor allem die Ärmeren wurden schwer getroffen. Doch die Stadt und ihre Einwohner sind wieder aufgestanden, New Orleans erholt sich. Allerdings: Die Gefahr bleibt.


Margot Douaihy: „Verbrannte Gnade“, erschienen bei Blumenbar im Aufbau Verlag, in der Übersetzung aus dem Amerikanischen von Eva Kemper; 368 Seiten, 23 Euro

Foto von Lucas Santos auf Unsplash

Ein Kommentar zu „Margot Douaihy – „Verbrannte Gnade“

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