Trude Teige – „Als Großmutter im Regen tanzte“

„Starke Menschen lassen sich nicht beugen. Sie werden gebrochen oder zerbrechen.“

Tekla liebt Otto. In normalen Zeiten wäre ihre Beziehung akzeptiert worden. Doch ein Krieg ist ein verheerender Ausnahmezustand, den Tekla, die Norwegerin, und Otto, der deutsche Soldat, erfahren. Ihre Liebe ist ein Stigma – für die Familie der jungen Frau und für ihr Land. Ein Schicksal, das sie mit vielen teilt. Wie viele „Tyskerjenten“, „Deutschenmädchen“, es während des Zweiten Weltkriegs in dem nordischen Land gegeben hat, weiß keiner ganz genau. Die Zahlen schwanken zwischen 30.000 bis 100.000. Die norwegische Autorin und Journalistin Trude Teige verarbeitet in ihrem Roman „Als Großmutter im Regen tanzte“ dieses bereits bekannte Thema und verbindet es jedoch mit einer bis heute wenig bekannten Tragödie.

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Ian McEwan – „Lektionen“

„So viele vergessene Lektionen.“ 

Das ganze Leben. Die Meisterklasse in der Literatur. Schriftsteller haben sich daran abgearbeitet, die einem Menschen gegebene Zeit zu erzählen. Manchen ist es bravourös gelungen, manche sind daran kläglich gescheitert. Der Engländer Ian McEwan zählt zur ersten Gruppe. Denn sein neuer Roman „Lektionen“ ist ein Meisterwerk, das dem Leser einen Leserausch verschafft, der lange im Gedächtnis bleibt. 

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Alex Schulman – „Verbrenn all meine Briefe“

„Hinter der einen Trauer verbirgt sich immer eine andere, es ist endlos.“ 

Sommer 1932: Karin lernt Olof kennen – und lieben, obwohl sie bereits mit Sven verheiratet ist, sie – die Übersetzerin und der Autor – gemeinsam ein schillerndes Paar inmitten der schwedischen Literaturszene abgeben. Nur für kurze Zeit leben Karin und Olof ihre tiefen Gefühle füreinander aus. Der Bruch ist brachial und hat immense Folgen. In die Familie, die Karin und Sven gründen, zieht die Wut ein. Eine Wut, die auch ihr Enkel, der Schriftsteller Alex Schulman, in sich spürt. Bereits vor seinem großen Erfolg „Die Überlebenden“ verarbeitet der Schwede in seinem Band „Verbrenn all meine Briefe“ Ereignisse aus der Geschichte seiner Familie. Und schon da auf berührende, spannende und vielschichtige Weise.

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Jenny Erpenbeck – „Kairos“

„Oder war jeder Mensch nur ein Gefäß, in das die Zeit füllt, was ihr gerade einfällt?“

Im Gegensatz zu Chronos, dem Gott der Zeit, steht Kairos für den richtigen Moment, den glücklichen Augenblick. Ein altgriechischer, religiös-philosophischer Begriff, der schließlich in der Mythologie personifiziert, zu einer, wenn auch nahezu unbekannten Gottheit wurde. „Kairos“ heißt der neue Roman von Jenny Erpenbeck, in dem sie von einer zufälligen, aber auch folgenreichen Begegnung und einem daraus resultierenden Verhältnis zwischen einer jungen Frau und einem verheirateten wie lebenserfahrenen Intellektuellen erzählt. Aber ob jene zufällige Begegnung ein glücklicher Augenblick ist, ist nicht die einzige große Frage, die sich am Ende des eindrücklichen wie überaus klug komponierten Buches stellt.

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Im Duett #3: Mirko Bonné – „Der eiskalte Himmel“ & „Seeland Schneeland“

„Fahr ins weiße Land.“

Unendlich weiße menschenleere Weiten fern der Zivilisation: So präsentieren sich die Regionen rund um die beiden Pole unserer Erde. Sehnsuchtsziel der Forscher und Entdecker, das für einige angesichts der unwirtlichen Bedingungen jedoch zur letzten Ruhestätte wurde. Wenige Jahre nachdem der Norweger Roald Amundsen im Dezember 1911 den Wettlauf zum Südpol gewinnt, sein Kontrahent, der Engländer Robert Scott, mit mehreren Männern stirbt, bricht sein Landsmann Ernest Shackleton wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Richung Antarktis auf, um den weißen Kontinent zu durchqueren. An Bord der „Endurance“ ist mit Perce Blackborow ein blinder Passagier, der als Merce Blackboro zum Helden in den beiden Romanen von Mirko Bonné „Der eiskalte Himmel“ und „Seeland Schneeland“ wird. „Im Duett #3: Mirko Bonné – „Der eiskalte Himmel“ & „Seeland Schneeland““ weiterlesen

Karl Ove Knausgård – „Aus der Welt“

„All diese Bilder in mir.“

Dass Literatur immer auch Gedächtnis ist, dass ein Werk noch Jahre nach seinem Erscheinen erneut in den Fokus rücken und bedacht werden kann, beweist auch Karl Ove Knausgård, der berühmte weil auch preisgekrönte Norweger, dessen Bücher in zahlreichen Sprachen übersetzt wurde; allen voran sein sechsbändiges autofiktionales Mammut-Schreibprojekt „Min kamp“. 22 Jahre nach dem Erscheinen seines umfangreichen Debüts „Ute av verden“ kann dieser Erstling unter dem Titel „Aus der Welt“ auch in deutscher Übertragung gelesen und vor allem debattiert werden.

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Sien Volders – „Norden“

„Der Norden ist verflucht verführerisch.“

Wodurch erhält ein Ort eine besondere Anziehungskraft, die ganz verschiedene Menschen nahezu magisch in den Bann zieht? Forty Mile ist solch ein Ort. Das einstige Goldgräberstädtchen inmitten einer imposanten Landschaft hoch im Norden Kanadas hat zwar schon bessere Zeiten erlebt, doch noch immer ist eine Reihe eigenwilliger Männer und Frauen gewillt, in diesem verlassenen Kaff zu leben. Über diese besonderen Menschen an jenem besonderen Ort erzählt die belgische Autorin Sien Volders in ihrem Debütroman „Norden“.

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Stefan Hertmans – „Die Fremde“

„Hamutal kommt sich nichtig vor, alle sind sie nichtig, nicht mehr als Insekten in einer Nussschale im Meer (…).“

Nach seinem eindrucksvollen Roman „Krieg und Terpentin“ über den Ersten Weltkrieg und die Erlebnisse seines Großvaters holt Stefan Hertmans erneut die Vergangenheit in die Gegenwart. In seinem neuen Buch „Die Fremde“ geht er in der Zeit indes noch weiter zurück, um mehr als ein Jahrtausend in das Mittelalter. Anlass und Inspiration bieten ihm Monieux, ein Bergdorf in der Provence, in dem er seit Jahren lebt, sowie ein Dokument aus dem 11. Jahrhundert, das vor mehr als 120 Jahren in einer Synagoge in Kairo entdeckt wurde und heute in der Cairo Genizah Collection der Universität Cambridge zu finden ist.

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James Baldwin – „Giovannis Zimmer“

„Vielleicht begann in dem Sommer meine Einsamkeit, (…)“

Kein bereits verstorbener amerikanischer Schriftsteller scheint derzeit wohl wieder so öffentlich präsent zu sein wie James Baldwin. Die auf ihn gerichtete Aufmerksamkeit setzte indes bereits vor der aktuellen Debatte rund um Rassismus und dessen Folgen ein. Gefeiert wurde hierzulande seine Wiederentdeckung 2018, als sein stark autobiografisch geprägtes Debüt „Go Tell it on the Mountain“ aus dem Jahr 1953 in einer Neuübersetzung unter dem Titel „Von dieser Welt“ erschien. Nicht nur dem Rassenhass und der Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung widmete sich der Afroamerikaner in seinen Büchern. Mit „Giovannis Zimmer“, 1956 veröffentlicht, schrieb Baldwin eines der wohl frühesten und heutzutage bekanntesten Werke über Homosexualität, das nunmehr ebenfalls in einer Neuübersetzung aus der Feder der preisgekrönten Übersetzerin Miriam Mandelkow wieder zu entdecken ist.

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Katya Apekina – „Je tiefer das Wasser“

„Warum uns wieder da hineinziehen? Wir waren Kinder.“ 

Was will uns dieses Cover sagen? Mir erschien es etwas rätselhaft und mysteriös. Dieses Weiß unter den blauen Lettern des Titels, diese Augen. Doch wer das Debüt der russisch-amerikanischen Schriftstellerin Katyna Apekina bis zum Ende liest, wird den Sinn erkennen und erneut erschauern. Ihr großartiger, indes auch teils verstörender Roman erzählt von einer außergewöhnlichen Familie – die außergewöhnliche Beziehungen und Emotionen pflegen, die schließlich zu tragischen Ereignissen führen. „Katya Apekina – „Je tiefer das Wasser““ weiterlesen