Trude Teige – „Als Großmutter im Regen tanzte“

„Starke Menschen lassen sich nicht beugen. Sie werden gebrochen oder zerbrechen.“

Tekla liebt Otto. In normalen Zeiten wäre ihre Beziehung akzeptiert worden. Doch ein Krieg ist ein verheerender Ausnahmezustand, den Tekla, die Norwegerin, und Otto, der deutsche Soldat, erfahren. Ihre Liebe ist ein Stigma – für die Familie der jungen Frau und für ihr Land. Ein Schicksal, das sie mit vielen teilt. Wie viele „Tyskerjenten“, „Deutschenmädchen“, es während des Zweiten Weltkriegs in dem nordischen Land gegeben hat, weiß keiner ganz genau. Die Zahlen schwanken zwischen 30.000 bis 100.000. Die norwegische Autorin und Journalistin Trude Teige verarbeitet in ihrem Roman „Als Großmutter im Regen tanzte“ dieses bereits bekannte Thema und verbindet es jedoch mit einer bis heute wenig bekannten Tragödie.

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Peter Süß – „1923“

„Das Land liegt darnieder wie eine tote Katze im Garten.“

Zeiten ähneln sich. Auch wenn dies ein eigenartiges, womöglich sogar ein unbehagliches Gefühl weckt. Manche gestrigen Ereignisse erinnern an die heutige Zeit, das Jahr 2023. Derzeit herrscht Inflation, vieles wird teurer, die Kosten steigen. Sorgen und Existenzängste sind zu spüren, der Unmut in der Bevölkerung wächst. Vor 100 Jahren, 1923, ist die Weimarer Republik im Krisenmodus. Banknoten weisen Millionen-Beträge aus, im Ruhrgebiet gibt es erneut Krieg, und in München versucht ein Österreicher, die Macht in Deutschland an sich zu reißen. In seinem lehrreichen wie unterhaltsamen Band „1923. Endstation. Alles einsteigen!“ führt Peter Süß in jenes Jahr, das Vorbote ist für das spätere Grauen.

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Ian McEwan – „Lektionen“

„So viele vergessene Lektionen.“ 

Das ganze Leben. Die Meisterklasse in der Literatur. Schriftsteller haben sich daran abgearbeitet, die einem Menschen gegebene Zeit zu erzählen. Manchen ist es bravourös gelungen, manche sind daran kläglich gescheitert. Der Engländer Ian McEwan zählt zur ersten Gruppe. Denn sein neuer Roman „Lektionen“ ist ein Meisterwerk, das dem Leser einen Leserausch verschafft, der lange im Gedächtnis bleibt. 

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Christiane Hoffmann – „Alles, was wir nicht erinnern“

„Ich gehe den Weg Deiner Entwurzelung, unser aller Entwurzelung.“

Zu Fuß. Allein. 558 Kilometer weit. Begleitet von Erinnerungen und der Familiengeschichte. Am 22. Januar 2020 begibt sich die Journalistin und Autorin Christiane Hoffmann auf eine monatelange Tour. Der Startpunkt: der kleine schlesische Ort Rózyna, der früher Rosenthal hieß. Hier wuchs ihr Vater auf, der noch Kind war, als seine Familie die Flucht antrat – an einem 22. Januar 1945. Mit „Alles, was wir nicht erinnern“ erzählt sie ihre Erlebnisse auf den Spuren ihres Vaters und der Familie, die wenige Monate vor Kriegsende ihre Heimat verloren hat und nie wirklich angekommen ist. Ein Buch, das über die berührende Familiengeschichte hinaus auch auf die Folgen von Krieg und Flucht hinweist.

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Jérôme Leroy & Max Annas – „Terminus Leipzig“

„Panik, Hilfe, nackte Angst. Nazis sind hinter dir her.“ 

Sie verliert einen Kollegen und ihre Mutter in nur wenigen Tagen. Er stirbt während eines riskanten Einsatzes, sie nimmt sich mit einem Sprung aus dem Fenster ihrer Wohnung das Leben. Die Welt ist danach für Commissaire Christine Steiner eine andere. Eine erfahrene Polizistin, die jedoch allzu beherzt zu Beruhigungsmitteln und Kokain greift. In einer internationalen Zusammenarbeit haben die bekannten Krimi-Autoren Jérôme Leroy und Max Annas nicht nur eine markante Figur mit einer speziellen Vergangenheit geschaffen. Sie greifen in ihrem deutsch-französischen Gemeinschaftswerk „Terminus Leipzig“ zudem ein überaus brisantes Thema auf.

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Mathijs Deen – „Der Holländer“

„Das Meer macht keinen Unterschied zwischen den Menschen.“

Es sind keine unendlichen Weiten, aber die Weite ist hier mehr als deutlich zu spüren. Wenn das Meer sich zurückgezogen hat, der Blick gen Horizont geht, keine Gischt die Aufmerksamkeit an sich bindet. Das Watt ist eine ganz eigentümliche, karge wie wilde und von der Kraft der Gezeiten geprägte Landschaft, die indes auch ihre Tücken hat. In seinem ersten Kriminalroman weist der Niederländer Mathijs Deen ihr eine besondere Rolle zu, die mehr ist, als nur reine Kulisse zu sein.

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Lukas Rietzschel – „Raumfahrer“

„Nachkriegszeit und Nachwendezeit. Trümmer beseitigen, nicht nur die Brocken und Steine eingestürzter Häuser.“

Kamenz – Kleinstadt in Sachsen. Die Kohlegrube Lausitz vor der Haustür, das barocke und edle Dresden ein Katzensprung entfernt. Hier ist Lessing zur Welt gekommen, der Ortsteil Deutschbaselitz gab dem Maler Hans-Georg Kern, besser bekannt als Georg Baselitz, einen Teil seines Künstlernamens. In diese geschichtsträchtige Gegend in Ostdeutschland führt Lukas Rietzschel in seinem zweiten Roman „Raumfahrer“, der darin auf wundersame Weise die Geschichte zweier Familien und das Leben eines jungen Mannes mit dem eines berühmten Künstlers verknüpft. Eine spezielle Erwartung kann das eindrückliche Buch allerdings dennoch nicht erfüllen.

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Andreas Pflüger – „Ritchie Girl“

„Ich weiß, es gibt Erinnerungen, bei denen man schreien will.“

Obwohl so unendlich viel über den Zweiten Weltkrieg schon in der Vergangenheit berichtet, erzählt, geschildert worden ist, gibt es noch immer Geschehnisse, die erst jüngst ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind – weiße Flecken, die nun ausgefüllt werden und Konturen erhalten. Mehrere Jahre war ein Bericht des US-Justizministeriums unter Verschluss, der sich mit der engen Zusammenarbeit der USA mit hochrangigen Nazis auseinandersetzt. Ein brisantes Thema, mit dem sich Andreas Pflüger in seinem aktuellen Roman „Ritchie Girl“ auf herausragende Weise beschäftigt.

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Helge Hesse – „Die Welt neu beginnen“

„Man braucht keine Obrigkeit, um die Welt neu zu beginnen.“ 

Was wir oftmals als heutige Errungenschaft ansehen, hat seine Wurzeln in der Vergangenheit. Der Glaube, Fortschritt ist eine Erscheinung der Gegenwart, liegt wohl in einer Unkenntnis der Geschichte oder in einem gewissen Desinteresse begründet. Fortschrittlich war bereits jener Mensch, der das Feuer nutzte, das Rad erfand, waren auch jene Künstler, die in Höhlen eindrückliche und staunenswerte Abbilder ihrer Umgebung schufen. Wenn wir heute von Freiheit und Gleichheit, von der Mitsprache jedes Menschen an politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen oder der wachsenden Rolle der Wissenschaft reden, müssen wir zurückblicken. Zu einer faszinierenden und überaus lehrreichen Zeitreise in das letzte Viertel des 18. Jahrhunderts lädt Helge Hesse in seinem Band „Die Welt neu beginnen“ ein, mit dem der Düsseldorfer Publizist für den Bayerischen Buchpreis nominiert ist. „Helge Hesse – „Die Welt neu beginnen““ weiterlesen

Brief als Waffe – Kressmann Taylor „Adressat unbekannt“

Es ist ein kleiner leichter Band. Anthrazitfarbene Leinenoptik. Ein Briefumschlag ziert das Cover. Eine Gestaltung, die schlicht, aber wiederum markant erscheint. Gerade mal 67 Seiten umfasst „Adressat unbekannt“ von Kressmann Taylor. Doch der Roman ist ein Werk mit extremer Wirkung, das von einer besonderen Geschichte erzählt und selbst Geschichte geschrieben hat und viel länger wirkt als der Leser darin versunken ist. Die Neuausgabe des Verlags Hoffmann und Campe als Sammleredition des erstmals 1938 veröffentlichten Werkes könnte wohl zu keinem geeigneteren Zeitpunkt erscheinen.   „Brief als Waffe – Kressmann Taylor „Adressat unbekannt““ weiterlesen