Wann kommt sie denn endlich? Ich warte schon seit Tagen, nein Wochen. Ach, Mensch, das ist nun wirklich nicht mehr schön. In den letzten Jahren war sie schon mindestens im Juli, nein im Juni bei mir. Muss ich mir schon selbst eine Postkarte aus dem Urlaub schicken, um endlich die erste des Jahres zu bekommen. Das ist einfach nicht fair. Wo sind die Zeiten, in denen manch einer kugelschreiberkauend im Strandkorb saß und zum wiederholten Mal die Worte „Essen gut, Wetter fantastisch, Zeltnachbarn naja“ geschrieben hat. Und nicht zu vergessen: „Wir senden liebe Urlaubsgrüße“. Und wer nicht ans Meer gefahren war, saß eben in einer Berghütte oder im Hard Rock Café von Kairo, Rio oder Dallas. Heute werden ja viel lieber SMS geschickt. Da braucht man keine Briefmarken zu kaufen, sie anzulecken und in der Pampa den Briefkasten zu suchen. Mit der Anzahl der Zeichen hat sich ja nicht viel verändert – jedenfalls bei den Wenigschreibern. Und wer kann, kürzt eben „Zeltnachbarn“ mit „Zelna“ ab. Ach, ich vergaß, dass mit den Generationen i-Pad und W-Lan die Kommunikation weitaus leichter geworden ist. Schnell müssen 200 Mails beantwortet werden, die aber auch wirklich nicht vergessen werden dürfen. Omas Postkarte muss halt warten oder sie bekommt sie ohne Text und Briefmarke direkt in die Hand gedrückt. Irgendwie frönen wir der Kommunikation, ohne indes das wirklich Wichtige zu sagen. Uns ist die Häufigkeit von Mitteilungen wichtiger als deren Inhalt.
An dieser Stelle folgt also ein Geständnis: Ja, ich liebe bunte Postkarten und freue mich immer wieder, wenn eine mir regelrecht aus meinem Briefkasten entgegenfällt, auch wenn es nicht immer leicht ist. Schließlich bin ich auf Arbeit und die Urlauber eben im Urlaub, ich habe Stress, der andere Freizeit en masse. Aber ich weiß, dass jemand an mich denkt. Und das freut mich ungemein. Selbst schreibe ich natürlich auch. Mein grünes Adressbüchlein steht auf der Liste fürs Kofferpacken ganz oben. Direkt über „Ladekabel Handy“. In den bekannten Souvenirshops zähle ich dann die Leute zusammen, denen ich schreiben will. Freunde, Familie, Kollegen. Mein Gedächtnis sollte dann schon stimmen, auch wenn in Woche zwei ja noch Zeit bleibt für die zweite Staffel der Urlaubsgrüße. In den letzten Jahren musste ich allerdings die eine oder andere Rüge hinnehmen: Meine Schrift sei wahrlich eine „Sauklaue“, meinten einige. Der Computertastatur sei dank. Doch die Freude der Adressaten überwiegt. Und manchmal sehe ich nach dem Urlaub eine Karte von mir irgendwo liegen – als schöne Erinnerung zum Greifen nah.
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