Jahre des Glücks – Ernest Hemingway "Paris. Ein Fest fürs Leben"

„Inzwischen wusste ich, dass alles Gute oder Schlechte eine Leere hinterließ, wenn es aufhörte.“ 

Von der Depression heimgesucht, vom Alkohol zerfressen erinnert sich Ernest Hemingway an die glücklichen Jahre. In den letzten Monaten seines Lebens, das er 1961 mit Hilfe einer Flinte selbstgewählt ein Ende setzt, blickt er zurück auf Paris und die 20er Jahre. Und wie sollte es bei einem Autor anders sein, für den das Leben unabdingbar mit dem Schreiben verknüpft ist – er schreibt darüber; nachdem er, Mitte der 50er zurückgekehrt in die Stadt an der Seine, einen Koffer mit Aufzeichnungen zurückerhalten hat. Entstanden ist das Buch „Paris. Ein Fest fürs Leben“, das erstmals posthum 1964 mit dem Originaltitel „A Moveable Feast“ erschien. Der Rowohlt Taschenbuch Verlag veröffentlichte nun die Urfassung des Werkes, das damals durch die Herausgeber mit Eingriffen in den Text und die Anordnung der einzelnen Kapitel nicht unwesentliche Veränderung erfuhr.

Hemingway ist 22 Jahre alt, als er gemeinsam mit seiner ersten Frau Hadley nach Paris zieht. Zuerst für mehrere Tageszeitungen und Presseagenturen tätig, wendet sich der Amerikaner schließlich dem literarischen Schreiben zu. Das tägliche Leben ist nicht leicht. Die Hemingways müssen den Centime mehrmals umdrehen, da Honorare nur unregelmäßig fließen und das Glück auf der Pferderennbahn ihnen nicht immer hold ist. Trotzdem ist es ihre Zeit, denn Paris ist die Welthauptstadt der Kunst: Große und angesehene Namen ob Künstler oder Literaten tummeln sich dort. Hemingway lernt selbst James Joyce, Ezra Pound, F. Scott Fitzgerald und Ford Madox Ford kennen. Er ist Gast im intellektuellen Kreis von Gertrude Stein. Der Tag wird mit Schreiben und Flanieren, Essen und Trinken verbracht. In den Cafés von Paris lässt sich Hemingway gern sehen.

All das findet sich wieder in seinem Werk. Der spätere Literaturnobelpreisträger erzählt von seinem Alltag als Schriftsteller, den Begegnungen und Debatten mit Künstlerkollegen, die Reisen in die Berge Österreichs  sowie von seiner Familie, seiner ersten Frau Hadley und dem kleinen Sohn John, liebevoll Bumby genannt. Doch nicht nur Ereignisse und Erlebnisse, Gedanken und Rückblicke finden sich in dem Band.  Immer wieder klingt die Bedeutung des Schreibens an, die Erklärung seines besonderes Stils, nur das Wahre zu schreiben, auf „Füllmaterial“ zu verzichten. Und ein Thema, nein gar eine Hauptperson sollte an dieser Stelle nicht vergessen werden: Die Stadt Paris ist die eigentliche Heldin dieses Buches, der Hemingway auch ein literarisches Denkmal setzt. Der Ton schwingt zwischen Melancholie im Rückblick auf die vergangene Zeit und Humor. Herrlich wie er eine Autofahrt gemeinsam mit Fitzgerald sowie dessen hypochondrichen Neigungen erzählt. Besonderes Stilmerkmal: Die Erzählperspektive wechselt. Für die Erinnerungen verwendet Hemingway neben dem „ich“ auch das „du“, als wollte er sich die Erinnerungen immer wieder selbst vor Augen führen.

Es ist nicht nur dieser ganz persönliche Blick von Ernest Hemingway, der dieses Buch zu einem eindrucksvollen Werk macht. Es erinnert auch als besonderes Zeitzeugnis an die damalige Ära, ein Jahrzehnt voller Kraft und Lebensfreude, in dem Kunst und Kultur neue Wege gingen. Gemeinsam mit Bildern aus diesen Jahren, die Hemingway und seine Freunde und Mitstreiter zeigen, sowie einem umfangreichen Anhang mit Entwürfen einiger Kapitel und Nachworten von Hemingways Sohn Patrick und seinem Enkel Sean ist ein Band entstanden, der für Fans von Hemingway und allgemein für Anhänger der amerikanischen Literatur ein Muss ist. Bei allen anderen weckt er (sicherlich und hoffentlich) das Interesse, sich einer der größten Stimmen der amerikanische Literatur näher zu widmen.

„Paris. Ein Fest fürs Leben“ von Ernest Hemingway erschien im Rowohlt Taschenbuch Verlag, in der Übersetzung aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz.
320 Seiten, 9,99 Euro

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