„Falke, Merlin und Kolkrabe, das sind die Panzerknacker von Entenhausen am Mývatn.“
Naturparadiese können viele Geschichten erzählen. Die interessantesten scheinen indes verborgen zu sein, versteckt hinter ihrer äußeren, hochglanzreisebroschüreträchtigen Schönheit. Ein Naturparadies ist auch der See Mývatn, im Nordosten Islands gelegen. Dass dieser Mückensee – so die freie deutsche Übersetzung seines Namens – mehr als nur stechfreudige Insekten aufzuweisen hat und sich viele Geschichten um ihn kreisen, beweist der wundersame Band „Vom Flügelschlag des Sterntauchers“ der isländischen Journalistin und Autorin Unnur Jökuldóttir, die von den Schätzen, aber auch von den Gefahren, die diese einzigartige Natur und Landschaft bedrohen, berichtet.
Nicht ohne meinen Vulkan
Der Mývatn – das bedeutet nicht nur viel Wasser auf rund 37 Quadratkilometern. Der viertgrößte See Islands ist umgeben von einer kontrastreichen und einzigartigen Landschaft. Neben Bergen prägen vor allem die unterschiedlichen Lava-Formationen, die auf die rege Vulkan-Aktivität deuten, diese recht menschenarme Gegend. Die letzten Ausbrüche fanden in den Jahren zwischen 1975 bis 1984. Bekannt ist der See zudem für seine einzigartige Fauna, allen voran die Entenpopulationen verschiedener Arten, wie die Eisente, die Spatelente oder Spießente. Neben den Vögeln wie dem namensgebenden Sterntaucher aus der Gattung der Seetaucher gilt die Aufmerksamkeit der Autorin weiteren Tieren – so den Fischen und – nicht zu vergessen – den Mücken, den sirrenden winzigen Raubtieren der Lüfte, die von den Einheimischen und Touristen gefürchtet werden. Besonderes interessant sind auch die Ausführungen zu den Kleinstlebewesen, wie jener grünen Alge, die den kuriosen Namen „Kugeldreck“ erhielt und im Gegensatz zu ihrem reichen Vorkommen in Japan im Mývatn indes mittlerweile verschwunden ist.
Für ihre kenntnisreichen Beschreibungen und Erklärungen zu Besonderheiten der Landschaft und Natur sowie zum Verhältnis zwischen Tier und Mensch nutzt die Isländerin ganz verschiedene Quellen: Sie hat sich an der Seite von Wissenschaftlern wie Einheimischen auf ausgiebigen Touren begeben. Sie begleitete Vogelzählungen. Zudem führte sie lange Gespräche, dank derer an die eine oder andere spannende Anekdote wie die Gründung eines Lesevereins sowie an historische Brauchtümer wie das Essen fauler Enteneier erinnert wird. Und: Ihr Mann ist Biologe. Árni Einarsson ist kein Geringer als der Leiter der Mývatn Research Station.
„Solche Sommertage am See sind bezaubernd, dass einen in dieser ungetrübten Schönheit der Verdacht beschleichen könnte, man wäre ein Engel. Die Sonne scheint. Weiße Quellwölkchen gleiten über den Himmel und spiegeln sich im Wasser. Die Landschaft ist spektakulär und allumfassend, scheint ewig und unendlich zu sein.“
Jökulsdóttir, Jahrgang 1955, gelingt es auf besondere Art und Weise, die verschiedenen Themen und Fakten so anschaulich zusammenzuführen und inhaltlich aufzubereiten, dass der Leser nie überfordert wird. Oft schlägt sie einen augenzwinkernden Ton an, der schmunzeln lässt. Das Wissen, das sie vermittelt, umfasst viele Gebiete und reicht von der Biologie inklusive des spannenden Feldes der Verhaltensbiologie über Geologie und Geschichte bis hin zur Landeskunde und Literatur. Mehrfach verweist sie auf ihren großen Landsmann, den Literatur-Nobelpreisträger Halldór Laxness (1902 – 1998), dessen Werke ich nun unbedingt einmal lesen möchte. Immer ist der Autorin auch anzumerken, dass ihr Herz für diesen See schlägt. Gerade das Nachwort wird zu einem Appell für die Bewahrung dieses Kleinods, das nicht nur vom Reichtum der Natur, sondern auch von den engen Beziehungen zwischen den Arten geprägt wird. Jedes Geschöpf hat seinen Platz im Kreislauf, dessen sensibles Gleichgewicht durch den Menschen gefährdet wird. „Das Zusammenspiel am Mývatn lässt uns über unseren eigenen Platz in der Natur nachdenken, sei es in Bezug auf die Welt, auf die Erde als unser Zuhause, sei es in Bezug auf das Land, auf die Berge oder die Umgebung“, heißt es da. Das Verschwinden des Kugeldrecks oder die Verringerung von Vogel- und Fisch-Populationen setzen ein Warnsignal, auf das es zu hören gilt.
Wundervoll bebildert
Dieser Band voller Lektionen und Geschichten wäre allerdings nur halb so schön ohne diese wunderbaren Fotos sowie Aquarell-Zeichnungen. Sie lassen den Leser noch einmal innehalten sowie staunen und bringen die einzigartige Schönheit von Flora und Fauna näher. „Vom Flügelschlag des Sterntauchers“ bereitet nicht nur Island- und Naturfans eine lehrreiche Lektüre. Ich glaube, dass sich jeder von den Geschichten des Mývatn und damit ganz allgemein von den Wundern der Natur verzaubern lassen kann.
Unnur Jökusdóttir: „Vom Flügelschlag des Sterntauchers. Das verborgene Leben am See Mývatn“, erschienen im Insel Verlag, in der Übersetzung aus dem Isländischen von Tina Flecken; 176 Seiten, 18 Euro
super Tipp, da habe ich doch gleich ein Weihnachtsgeschenk!
LikeGefällt 1 Person
Schön, dass ich Dir eine Empfehlung geben konnte. Ich hoffe, der Beschenkte freut sich. Viele Grüße nach Berlin
LikeLike
Neues aus Island – wunderschön besprochen von Constanze Matthes. Danke!
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank für das Reposten. Viele Grüße
LikeLike
Hat dies auf Wortspiele: Ein literarischer Blog rebloggt und kommentierte:
Neues aus Island – wunderschön besprochen von Constanze Matthes.
LikeLike
Diese Mischung aus Naturbeschreibungen und Wissenschaft klingt zauberhaft – möchte ich lesen!
LikeGefällt 1 Person
Ja, diese besondere Mischung ist wunderbar. Sehr anschaulich und lehrreich. Viele Grüße
LikeLike
danke…
LikeGefällt 1 Person
Sehr gern! Viele Grüße
LikeLike
Sehr schöner Post! ☺️
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank! Das freut mich.
LikeLike
Hätte ich vielleicht lesen sollen, als ich in der Myvatn Therme saß. Wo übrigens gar nicht so viele Mücken umherschwirrten.
LikeGefällt 1 Person
Danke für den Kommentar. Vielleicht war es den isländischen Mücken da einfach zu warm ;) Viele Grüße
LikeLike