Im Kokon – Gedanken zur Zeit

Es ist eine besondere, eine besonders schwere Zeit. Das kulturelle und soziale Leben steht still, eingefroren für den Tag X. Keine Treffen, keine Lesungen, keine Konzerte. Veranstaltungen werden abgesagt. Keiner weiß, wann dieses System wieder allmählich hochgefahren werden kann. Gerade diese Ungewissheit bereitet vielen von uns extreme Sorgen. Die Existenzangst von Buchhändlern, Verlagen, Künstlern aller Couleur geht um – trotz der Versprechungen aus der Politik.  Es beginnt die Zeit für Hilfe, die auch im Kleinen liegen kann. Wir müssen lernen von anderen und lernen, neue Wege zu gehen. In Erfahrungen anderer und auch in spontanen Ideen, mit denen jeder Einzelne seine ganz besondere Premiere feiert, liegt viel Potenzial.

Seid solidarisch!

Was kann jeder tun, um jenen zu helfen, deren berufliche Existenz gefährdet ist? Gute Worte reichen nicht. Es braucht Solidarität und bewusstes Handeln. Was ich in den vergangenen Tagen beobachten kann – das Leben verlagert sich zunehmend ins Netz, ins Virtuelle und Digitale. Und das gilt es, auszunutzen.

  1. Kauft ein beim lokalen Buchhändler. Die meisten haben einen eigenen Online-Shop. Wenn eine Buchhandlung diese Möglichkeit nicht hat, nehmt Kontakt in irgendeiner anderen Form auf. Zudem haben sich einige lokale Buchhandlungen der Online-Plattform „geniallokal“ angeschlossen. Mit dem Kauf von Büchern unterstützen wir zudem Verlage und Autoren, rundum all jene Personen, die mit der Herstellung eines Buches zu tun haben. Am 21. März ist wieder der schon traditionelle Indiebookday, der kleinere Verlage in den Mittelpunkt rückt. Und was für Buchhandlungen gilt, gilt auch für alle anderen Geschäfte in Eurer Stadt. Kauft lokal!
  2. Lesungen und Literatur gibt es weiterhin – als Video, als Podcast oder als Radioübertragung. So nimmt unter anderem das Literaturhaus Halle Gespräche mit Schriftstellern als Video auf; zuletzt mit Ingo Schulze. Der Deutschlandfunk überträgt unter anderem Veranstaltungen des Literarischen Colloquiums Berlin; am 23. März ein Gespräch mit Frank Witzel. Das Literaturhaus Leipzig hat eine schöne Übersicht, was ARTE in den kommenden Tagen an Literatur sendet. In der Mediathek des Senders kann man auch prima nach Dokumentationen stöbern. Apropos stöbern: Das Netz ist voller guter Videos, Sendungen und Podcasts zum Thema Literatur, um sich Tipps und Anregungen für die Lesestunden zu Hause zu holen. UND all diese Angebote gilt es zu würdigen und zu verteidigen – gerade wenn einmal wieder davon die Rede ist, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk infrage zustellen oder die finanzielle Hilfe von Kultureinrichtungen aller Art zu kürzen.
  3. Wer Musik mag, wird Konzerte, das Live-Erlebnis vermissen. Auch hier bieten die Veranstalter zunehmend das Konzert als Streaming an. Pianist Igor Levit spielt live aus seiner Wohnung. Einen interessanten Überblick gibt es bei der Zeitung „Die Welt“ und bei tip Berlin. Schaut Euch um bei Euren Lieblingskünstlern oder -locations in Eurer Nähe. Und wenn Ihr bereits Karten für eine Veranstaltung habt, überlegt, ob Ihr unbedingt das Ticket zurückgeben und das Geld zurückverlangen wollt. Spendet, kauft Musik oder all allgemein jene Dinge, die Kunstschaffende kreieren.
  4. Teilt Euer Wissen, Eure besonderen Entdeckungen und Erfahrungen! Ich freue mich zwar auch über netten Cat-Content, Blumenfotos sowie Bilder von Meer und Bergen – schließlich werden diese täglichen kleinen Freuden uns in dieser Zeit des notwendigen Abstandhaltens helfen -, aber wir sollten Prioritäten setzen bei der Auswahl, was wir teilen und posten. Lassen wir die sozialen Medien etwas sozialer werden!

„Funkstille“ für eine gewisse Zeit

Apropos Freude: Es wird in den kommenden Wochen und Monaten wichtig sein, sich mental zu schützen und eine gewisse Seelenhygiene zu betreiben. Ungewissheit, Sorgen, Ängste und die soziale Abschottung, ohne die Nähe zu geliebten Menschen, werden sich niederschlagen. Für mich persönlich heißt es, sich auch mal von den Nachrichten fernzuhalten, selbst als Journalistin, die sich über aktuelle Ereignisse regelmäßig informiert. Ich schalte nun ganz bewusst jedes Gerät mit einem Bildschirm ab – Notebook, Tablett etc. Das Handy liegt nicht in Reichweite. Dann konzentriere ich mich auf ein Buch, Musik, Telefonate mit Freunden, Momente in der Natur, aufs Schreiben; in den kommenden Wochen wird wohl der eine oder andere Beitrag mehr auf meinem Blog erscheinen, wenn es meine Arbeit zulässt. Vielleicht wird auch allgemein das Tagebuch- und Briefeschreiben eine Renaissance erleben. Wichtiger denn je in dieser Zeit und hoffentlich darüber hinaus: Mut zuzusprechen, zuzuhören, freundlich sein!

Und noch etwas in eigener Sache: Schon vor der aktuellen Entwicklung habe ich mit Bedauern und Sorge gesehen, wie fleißig Fake-News online geteilt und für glaubhaft gehalten werden. Bitte informiert Euch bei seriösen Quellen! Jeder trägt etwas bei in unserer Gesellschaft – im Guten wie im Schlechten. Wir brauchen jetzt und künftig nicht nur die Hoffnung, dass etwas Gutes geschieht, jeder Einzelne sollte dazubeitragen!


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11 Kommentare zu „Im Kokon – Gedanken zur Zeit

  1. Danke, Constanze. Ich muss gerade arg aufpassen, dass ich mich von den ganzen Posts nicht aus der Bahn werfen lasse. Ich hoffe, ich schaffe es, ähnlich wie du, mehr die Finger von diesen Geräten zu lassen.
    Bleib gesund!
    Liebe Grüße!

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  2. Hallo,

    die ganze Situation fühlt sich so unwirklich an, als habe es uns alle in eine Dystopie verschlagen. Aber mir ist auch bewusst, wie gut ich es vergleichsweise habe, da mein Mann und ich keine finanziellen Einbußen haben – als Lehrer arbeitet er zur Zeit zwar nicht, da seine Schule geschlossen ist, erhält aber weiter seinen Lohn. Aber Freunde von uns sind Musiker, leben ausschließlich von ihrer Musik und werden vermutlich noch einige Konzerte, ihre Haupteinnahmequelle, absagen müssen. Vielleicht müsste man da auch online Angebote machen, also Konzerte ohne live-Publikum übertragen, vielleicht unplugged, vielleicht ohne Licht oder Show.

    Und als Buchbloggerin denke ich natürlich auch an die Verlage (gerade die kleinen), Buchhändler und Autoren. Meine Lieblingsbuchhandlung fährt im Moment Bestellungen selber aus, und über ihren Shop kann man natürlich auch eBooks kaufen. Ein wenig hilflos habe ich gestern zwei eBooks bestellt, obwohl ich gerade wirklich genug ungelesene Bücher habe. Ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber wenn genug Leute tropfen…

    Mein zweites Hobby neben Lesen ist Kunst, und da tut sich so einiges. Zig Künstler und Webseiten, die Online-Kunstkurse anbieten, stellen in den nächsten Wochen Kurse kostenlos zur Verfügung. Das ist schön für die Menschen, die sich dann damit in häuslicher Isolation gut beschäftigen können, bringt den Künstlern aber kein Geld ein. Da müssen die Leute, die es sich leisten können, auch Bilder kaufen oder Kurse belegen, die NICHT kostenfrei sind, um das wenigstens ein bisschen aufzufangen.

    Ich merke, dass ich mich zur Zeit auch etwas abschirmen muss vom ständigen Ansturm beunruhigender Nachrichten. Es bringt ja nichts, wenn ich alle zehn Minuten checke, wie wiele neue Erkrankungen und Todesfälle es in meinem Bundesland gibt, oder in den Bundesländern von Freunden und Familie. Morgens, mittags, abends muss da reichen…

    LG,
    Mikka

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    1. Vielen Dank, liebe Mikka, für den ausführlichen Kommentar und Deine Sicht und Gedanken. Ich habe auch das Gefühl des Irrealen – geht abends ins Bett, wache morgens auf mit dem Gedanken, alles ist okay, die Welt dreht sich normal. Aber so ist es nicht. Komm gut durch diese Zeit. Viele Grüße

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  3. Liebe Constanze, ich bin so positiv überrascht, wie viel Engagement da durchs Netz wandert. Ich habe leider gar nicht die Zeit, all die wunderbaren Angebote nutzen zu können, da ich das große Glück habe, von dieser ganzen furchtbaren Entwicklung in meinem Alltag sehr wenig zu spüren (Toilettenpapier gibt es bei uns leider auch nicht ;) ). Trotzdem bin ich dankbar für all diese Solidarität und hoffe, dass diese die anderen Seiten, die der Ignoranz und des Egoismus im Endeffekt überwiegen werden. Ich grüße dich ganz herzlich (so schade, dass wir uns in Leipzig nicht sehen konnten). Bleib gesund und munter! LG Petra

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    1. Hab‘ Dank für Deinen Kommentar und die Grüße, liebe Petra. Ja, schade, dass wir uns in Leipzig nicht sehen konnte. Die Welt ist eine andere, wer hätte das noch vor einigen Monaten gedacht. Es fühlt sich alles sehr surreal an. Aber ich habe die leise Hoffnung, dass diese Zeit auch etwas Positives bringen wird. Viele Grüße und bleib auch Du gesund. Wir lesen uns….

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