Pilgern ist Trend, schon seit Jahren. Der Bestseller „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling hat ein Pilger-Fieber entfacht, das vor allem den Blick richtet auf den berühmten Jakobsweg. Dabei gibt es andere historische Strecken, die es lohnen, erwandert und entdeckt zu werden. Hoch oben im Norden befindet sich der Olavsweg. Eine seiner Routen führt von Oslo nach Trondheim. Im vergangenen Jahr packten Stefanie Jarantowski und ihr Mann Stephan J. Schmidt ihre Rucksäcke und reisten nach Norwegen; ein Reisebericht entstand. Mit der Berlinerin sprach Zeichen & Zeiten.
Was war der Auslöser für die Tour auf dem Olavsweg im vergangenen Jahr?
Stefanie Jarantowski: Als ich mein Startup erfolgreich verkauft hatte, wusste ich erstmal nicht mehr, was ich tun sollte. Plötzlich war ich nicht mehr gefragt. Und dann fiel mir dieser Artikel über den einsamen Pilgerweg in Norwegen in die Hände. Da ich schon länger Weitwandern und Pilgern wollte, war ich mir sicher, dass das mein Weg ist.
Wie und wie lange habt Ihr die Reise geplant? Vor welchen Herausforderungen standet Ihr zu Beginn?
Die Reise haben mein Mann und ich sehr kurzfristig geplant, denn schon zwei Wochen nachdem wir den Zeitungsartikel gelesen hatten, befanden wir uns auf dem Weg nach Oslo. Die große Herausforderung war, wie wandert man eigentlich dreißig Tage und wo kann man auf dem Olavsweg übernachten? Wir hatten keine Ahnung, wie wir uns das vorstellen müssen und hatten anfangs die Vorstellung, dass es in Norwegen nur Natur gibt und keine Menschen. Glücklicherweise ist der Olavsweg zwar einsam, aber er führt durch den bewohnten Teil von Norwegen.
Warum habt Ihr nicht den bekannten Jakobsweg genommen, warum gerade Norwegen?
Der Jakobsweg war uns persönlich zu voll und zu wenig einsam. An manchen Stellen in einer Reihe von Pilgern bis zum Horizont zu laufen, das war nicht unsere Vorstellung von innerer Einkehr. In der Natur wollten wir von niemandem abgelenkt werden. In Norwegen waren wir noch nicht und die Natur dort ist einfach atemberaubend.
Wie sah Eure Ausrüstung aus? Was sollte bei einer solchen herausfordernden Tour auf jeden Fall ins Gepäck?
Die Ausrüstung bestand hauptsächlich aus Kleidung, Essen und Trinken, dem Wichtigsten auf der Pilgerwanderung. Aber es sammelt sich dann doch noch einiges an Hygienebedarf, Salben, Reiseführer, Taschenmesser und vielem mehr an, so dass wir insgesamt auf 25 Kilogramm Gepäck zusammen kamen. Wichtig für meinen Mann waren die Blasenpflaster, davon kann man nicht genug haben, selbst wenn die Schuhe bereits eingelaufen sind. Was wir nicht dabei hatten, war ein Handy-Akku mit Wärmefunktion. Auf dem eiskalten Hochplateau des Dovrefjells hätten wir das dringend als Händewärmer gebraucht, denn Handschuhe haben dort nicht gereicht.
Was war die denkwürdigste Begegnung, welches besondere Erlebnis war eine besondere Erfahrung?
Am merkwürdigsten war eine verrückte Kuh, die uns den Weg versperrte. Sie war sehr groß und muhte aus Leibeskräften. Als sie einfach nicht Platz machen wollte, haben wir dann nachgegeben und sind um sie herum geklettert. Wir mussten ja noch 20 Kilometer laufen. Eine besondere Erfahrung für mich war das Ablegen meines mitgebrachten Steines auf dem Dovrefjell an der dortigen Steinpyramide. Da dachte ich, jetzt bin ich angekommen und vieles ist von mir abgefallen. Als sich in dem Moment noch der Himmel mit einem kurzen Hagelschauer erleicherte, bin ich beflügelt wie nie weitergelaufen.
Gab es zu Beginn und während der Tour Zweifel und wie bist Du damit umgegangen?
Ich habe mich schon manchmal gefragt, was mache ich hier eigentlich? Die Tage sind oft anstrengend und manchmal regnet es den ganzen Tag in Strömen, während man dreißig Kilometer läuft. Und gerade im ersten Drittel des Weges hatte ich Zweifel, über 600 Kilometer laufen zu können. Die Zahl ging einfach nicht in meinen Kopf. Am Ende habe ich erfahren, dass man immer irgendwie ankommt. Das gibt einem Mut. Die größten Zweifel hatte ich, als mein Mann einfach nicht weiterlaufen und zurückfahren wollte.
Pilgern ist ja mittlerweile seit einigen Jahren ein Trend? Habt Ihr das in Norwegen auch gespürt?
Die Pilgerzahlen nehmen auch auf dem Olavsweg von Jahr zu Jahr zu. Trotzdem laufen noch immer sehr wenige Leute den Weg, da er so unbekannt ist. Tagsüber haben wir ganz selten andere Pilger getroffen.
Falls Du zuvor Norwegen kanntest, wie hat sich Dein Verhältnis zu diesem Land verändert?
Ich kannte Norwegen vorher gar nicht und war nur ein paarmal zuvor in Dänemark. Norwegen ist ein wunderbares Land mit einer tollen Landschaft. Vor allem aber die Norweger sind überaus hilfsbereit und freundlich. Ihnen ist das Leben wichtig, und so macht ein Laden früher zu als in Deutschland, dafür bewundere ich die Norweger. Wenn man 650 Kilometer zu Fuß durch ein Land wandert, lernt man es ganz anders kennen. Ich hatte vorher nicht gedacht, dass mich Norwegen so beeindrucken würde.
War bereits zu Beginn der Reise klar, dass ein Buch entstehen soll?
Nein, das war mir nicht klar. Aber ich habe von Anfang an Notizen gemacht, um meine Gedanken abends zu ordnen. Daraus hat sich dann recht schnell ergeben, ein Buch zu schreiben, um meine Gedanken und Erfahrungen zu Papier zu bringen. Ich wollte andere daran teilhaben lassen und dieses einmalige Erlebnis festhalten.
Was ist dir wichtig, mit diesem Buch mitzuteilen? Gibt es eine Botschaft darin?
Meine Botschaft ist, wie wichtig es ist, sich auf neue Dinge einzulassen. Ich möchte anderen Frauen die Stärke geben, auch neu anzufangen und etwas zu wagen, von dem sie nicht glauben, dass sie es schaffen können. Wenn man anfängt, kommt man am Ende auch nach Hunderten von Kilometern ans Ziel. Wie Beppo, der Straßenkehrer, zu Momo im gleichnamigen Buch sagt: Nicht auf die ganze Straße sehen, sondern nur den nächsten Besenstrich.
Welche Tipps würdest Du all jenen geben, die ebenfalls auf dem Olavsweg pilgern wollen?
Das Wichtigste ist, es zu machen! Den Olavsweg zu wandern, war eine wunderbare Erfahrung. Ich würde den Weg immer wieder gehen. Was wir uns gewünscht hätten? Dass wir vorher mit vollem Gepäck einen Tag bei Regen gelaufen wären. Aber wer weiß, vielleicht hätten wir es dann nicht begonnen. Manchmal muss man einfach machen und sich nicht zu viel vorbereiten. Ich würde jedem sagen: „Du schaffst das!“
Welche Reaktionen hast Du bereits auf das Buch erhalten?
Viele Leser haben mir geschrieben, wie toll sie das Buch finden und wie sie im Buch mit mir mitgefiebert haben. Das macht mich stolz nach der ganzen harten Arbeit des Schreibens und froh, dass ich hier etwas Positives mitgeben konnte. Am tollsten war die Reaktion einer Buchhändlerin, die gleich begeistert das Buch neben die Kasse gestellt hat. Wenn dann wildfremde Menschen das Buch kaufen und einem schreiben, wie toll sie es finden, bewegt mich das.
Wann steht die nächste Reise nach Norwegen an?
Als nächstes möchte ich einen Teil des Olavswegs durch Schweden gehen, denn Schweden kenne ich auch noch nicht. Vermutlich nächstes Jahr.
Hintergrund: Der Olavsweg erstreckt sich zwischen Norwegen und Schweden und damit zwischen Ostsee und Atlantik. Wie auch der Jakobsweg verfügt auch der Olavsweg über verschiedene Routen; die bekannteste ist jene zwischen Oslo und Trondheim, der sogenannte Gudbrandsdalenleden. Er war im Mittelalter der Hauptweg zum Nidarsdom in Trondheim und erstreckt sich auf 643 Kilometer. Namensgeber des Olavsweg ist König Olav II. Haraldsson (995–1030), der das Christentum im Land verbreitet hat. Zu den landschaftlich reizvollsten Landschaften zählen der Mjøsa-See, Norwegens größter See, das Gudbrandsdal sowie das Dovrefjell; hier erreicht der Pilgerweg eine Höhe von rund 1.400 Metern. Zu den markanten Punkten zählen zudem einige der noch existierenden historischen Stabkirchen des Landes.
Mehr zum Abenteuer Olavsweg auf der Seite von Stefanie Jarantowski und Stephan J. Schmidt oder auf der norwegischen Original-Seite, auf der es auch wichtige Tipps in englischer Sprache gibt.
Stefanie Jarantowski: „Abenteuer Olavsweg. Eine Frau pilgert den Neuanfang“, erschienen im Ikigai Verlag; 315 Seiten, 14,90 Euro
Fotos: Jarantowski-Schmidt
Toll!
Ich möchte diese kleine grasbewachsene Hütte!
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