„Beamen wird es nie geben“ – Ein Gespräch mit Science-Fiction-Autor Brandon Q. Morris

In den vergangenen Tagen las der Science-Fiction-Autor Matthias Matting, alias Brandon Q. Morris, an verschiedenen Orten, so auch in Berlin, Potsdam und Jena, aus seinen Romanen. In der „Arche Nebra“, dem Besucherzentrum zur Himmelsscheibe“, in Kleinwangen/Nebra stellte er seinen bereits 2022 erschienenen Roman „Die letzte Kosmonautin“ (Fischer Tor) vor. Ich habe mit ihm über seine Bücher, die Science-Fiction-Literatur, das Thema Raumfahrt und die Zukunft der Menschheit gesprochen.

In ihrem Roman „Die letzte Kosmonautin“ lassen Sie die DDR weiter existieren. Wie sind Sie auf diesen Gedanken gekommen?

Ich fand damals, es gab noch keinen Roman in der Science-Fiction-Literatur, der von einer alternativen Realität erzählt. Dann sind mir die Scheichtümer im Nahen Osten eingefallen, und nach diesem Modell habe ich die fiktive DDR des Jahres 2030 modelliert. Der Roman erzählt davon, dass in der Lausitz Öl noch vor der Wende gefunden wird. Das führt dazu, dass die fiktive DDR sich unabhängig von allen anderen Prozessen in Europa erhalten kann. Es wird sich allerdings dann herausstellen, dass mit dem Öl nicht alles so ist, wie man es sich denkt.

Bei der Lausitz fällt einem zuerst die Kohle ein …

Ja, das ist richtig, aber mit dem Öl lässt sich besser Geld verdienen.

Welche Reaktionen haben Sie auf Ihren Roman erhalten?

Das ist recht unterschiedlich. Je nachdem wie man zu dem Land gestanden hat oder steht, waren die Leser begeistert oder fanden es nicht so gut. Aber nicht jedem gefällt ja alles gleich gut. Grundsätzlich fanden viele es spannend, dass die DDR behandelt wird. Ich kenne keinen Science-Fiction-Roman, der sich damit beschäftigt.

Brandon Q. Morris, alias Matthias Matting. (Foto: Birgit-Cathrin Duval)

Wie entstehen Ihre Bücher, was inspiriert sie?

Ich habe zuerst nur eine grobe Idee, beispielsweise ein besonderes Phänomen. Bei meinen neuesten Romanen waren es Teilchen, die schneller als das Licht sind. Bei „Die letzte Kosmonautin“ war es der Gedanke, wie würde die DDR aussehen, wenn es sie aus irgendeinem Grund noch gäbe. Dann kommt die Handlung beim Schreiben. Meist beginnt es mit der Hauptfigur. Ich erzähle mir quasi die Story selbst. Ich habe keinen allzu großen Plan und weiß am Anfang noch nicht, wie die Geschichte endet. Das macht es dann auch für mich recht spannend. Ich kann mich dann als Autor überraschen lassen.

Welche Recherchen machen Sie für Ihre Bücher?

Ich bin nach dem Studium im Journalismus gelandet. Da hat mir das Recherchieren mit am meisten Spaß gemacht. Das ist ein wichtiger Punkt zu Beginn. Das Genre, was ich schreibe, heißt Hard Science Fiction, was bedeutet, dass die Geschichten realistisch, glaubwürdig und stimmig sein sollten. Im Fall der DDR war es ein bisschen einfacher für mich, da ich in dieser Zeit auch gelebt habe. Aber auch da habe ich noch Bücher gelesen und geschaut, dass alles stimmt. Recherche ist für mich ein wichtiger Punkt.

Sie nehmen sich also als Autor nicht so manche Freiheit?

Das ist richtig. Gerade als Physiker nicht. Es gibt ja ganz unterschiedliche Science Fiction, wenn man beispielsweise an Star Wars, Star Trek oder Raumschiff Enterprise denkt, wo es solche Sachen gibt wie das Beamen. Es würde mich als Physiker in meinen Büchern stören, weil es physikalisch nicht möglich ist. Das wird es nie geben, und wir werden auch nicht schneller als das Licht fliegen können.

Haben Ihre Bücher dann auch eine Art Bildungsauftrag?

Tatsächlich ist das auch meine Idee dahinter. Am Ende jeden Buches findet sich auch ein Abriss, in dem das jeweilige Phänomen – bei der „Kosmonautin“ ist es das Nichts – erklärt wird. Ich habe dazu auch in der „Arche Nebra“ etwas mehr erzählt. Das Nichts ist ein spannendes Phänomen, was man sich mit Blick auf das Weltall gar nicht so recht vorstellen mag.

Ihre Bücher erscheinen mittlerweile im renommierten Verlag Fischer Tor. Wie ist es dazu gekommen?

Meine ersten Bücher sind im Selbstverlag erschienen, und das auch für mich sehr erfolgreich. Dann habe ich mich mit dem Lektor Andy Hahnemann auf der Leipziger Buchmesse getroffen. Wir haben über das Bücherschreiben gesprochen und sind dann gemeinsam darauf gekommen, dass ich doch etwas für den Verlag machen könnte.

Wo sehen Sie die Menschheit in 50 Jahren?

Ich bin ein Optimist. Ich glaube, dass wir alle Probleme lösen werden und es auch können. Je schlimmer es wird, desto mehr führt es dazu, dass wir als Menschheit zusammenhalten und die Probleme in den Griff bekommen.

Sie schließen also ein schlimmes Ende, eine Art Dystopie, wie in Romanen erzählt, aus?

Ich glaube eher, es wäre wichtig, den Leserinnen und Lesern ein positives Beispiel zu geben. Wenn man immer nur Dystopien liest, gibt es kein Motiv mehr, irgendetwas zu tun, wenn es sowieso schlimm wird.

Und wie steht es nach Ihrer Ansicht mit künftigen Weltraum-Missionen?

Um unsere Probleme zu lösen, die wir als Menschheit haben, sind Missionen zu anderen Planeten nicht notwendig. Weltraumforschung beschäftigt sich eher mit ganz grundlegenden Fragen, die wir als Menschen haben wie „Sind wir allein im All?“, worauf wir auch Antworten haben wollen und die dann auch unser Verhältnis zum Weltall verändern könnten, wenn wir wissen, da gibt es noch anderes Leben.

Welche Vorbilder haben Sie, welche Autoren lesen Sie selbst sehr gern?

Vorbilder sind immer etwas schwierig. Wenn man ganz tolle Autorinnen und Autoren liest, da hat man das Gefühl, das kann ich selbst nie so. Deshalb nehme ich mir sie nicht als Vorbild und schreibe so, wie ich halt schreiben will. Aber es gibt natürlich ganz tolle Autoren, deren Bücher ich für Meisterwerke halte. Mein liebster Autor ist Dan Simmons mit seinem Hyperion-Zyklus. Das ist wirklich großartige Literatur. Und in puncto DDR-Vergangenheit: Ich habe alles von Stanislav Lem verschlungen.

Stanisław Lem, 1966 (Wikipedia)

Führt Science-Fiction Ihrer Meinung nach ein Nischendasein?

Das muss man leider so sagen. Es gibt ja Fantasy als verwandtes Genre. Wenn man jetzt in einen Buchladen schaut, sieht man da drei ganze Regale mit Fantasy und in einem dieser Regale stehen zwei Reihen, wo vielleicht die Science-Fiction steht. Das ist aber eher eine spezielle deutsche Erscheinung. Wenn man in England in einen Buchladen geht, da ist es ganz anders aus, da hat die Science-Fiction einen anderen Stellenwert. Ich versuche, die Buchhändler zu überzeugen, dass es eine tolle Idee ist, Science-Fiction in das Regal zu stellen. Aber das ist auch ein bisschen ein Henne-Ei-Problem. Denn die Buchhändler sagen, wir verkaufen viel mehr Fantasy, aber wenn es in den Läden mehr Fantasy als Science-Fiction gibt, gehen die Science-Fiction-Leser auch nicht dort einkaufen, die bestellen dann einfach online.

Kann Science-Fiction uns in der heutigen krisengeschüttelten Zeit auch Hoffnung geben? Sollten wir sie auch mehr lesen?

Das denke ich auf jeden Fall. Gerade in der Science-Fiction-Literatur gibt es viele Werke, die zeigen, wie schlecht es der Menschheit gehen kann, aber das sie zusammenfindet. Und diese Perspektive ist in der heutigen Zeit, in der sich gefühlt alles auseinanderentwickelt, schön zu haben. Die Fantasy-Literatur ermöglicht ja ein Entschweben aus der Welt, was auch mal interessant zu lesen ist. Aber die Science Fiction ist da wichtiger, um zu zeigen, dass es in der Wirklichkeit Lösungen gibt.

Wie sind Sie zu Ihrem Pseudonym gekommen?

Ich habe überlegt, welcher Name auch weltweit funktionieren würde, weil ich auch immer die Übersetzungen angedacht habe. Da war der Gedanke, dass deutsche Leser durchaus auch amerikanisch klingende Namen mögen. Das Q kam dann noch dazu.

Das hat mit Star Trek zu tun?

Genau, das kann damit zu tun haben. Da gibt es Q, ein allwissendes Wesen, das immer dann auftaucht, wenn man es am wenigsten gebrauchen könnte.

Was schätzen Sie an öffentlichen Lesungen?

Ich freue mich hauptsächlich, vor Publikum zu lesen. Man sitzt als Autor immer allein im Büro und hat da eher weniger Kontakt zu Leserinnen und Lesern. Das ist jetzt bei einer Lesung ganz anderes. Man kann auf individuelle Fragen reagieren und den Menschen in die Augen schauen.


Der Interview erschien zuerst im Naumburger Tageblatt/Mitteldeutsche Zeitung.

Foto von Clarisse Meyer auf Unsplash

8 Kommentare zu „„Beamen wird es nie geben“ – Ein Gespräch mit Science-Fiction-Autor Brandon Q. Morris

      1. Habe bislang nur „Drood“ von ihm gelesen, das war allerdings ein historischer Roman und drehte sich um Charles Dickens. War auch ein ziemlicher Trümmer. Den fand ich so mjoah.
        Hoffe Du hast mit einem SciFi Simmons mehr Glück :)

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