Mich verwundert immer wieder, wie simpel und doch sogleich komplex der Mensch strukturiert ist, da er seinesgleichen immer wieder verblüfft mit neuen Verhaltensformen. Bestes Beispiel: der Homo televisionensis. Auch gemeinhin als systematischer Dauer-Fernsehgucker bekannt.
Derzeit sorgt eine Sendung täglich für Schlagzeilen, selbst in anspruchsvollen Blättern. Dabei zeigen C-Prominente ihre Liebe zur exotischen Tier- und Pflanzenwelt sowie Mut zu nervenaufreibenden Wagnissen. Weil sie entweder Geld brauchen, um ihre Schulden zu bezahlen, oder sie einen höheren Promistatus erringen wollen. Bekanntheit ist bekanntlich die Währung für Menschen, die es ohne Talent nach oben geschafft haben. Da zählt jede Sendeminute und jede Familie vor der Glotze. Was das Camp wohl wirklich bringt? In den USA existieren sogenannte Boot-Camps, in denen kriminelle Jugendliche mit fragwürdigen Methoden schikaniert werden. Vielleicht sollen die Promis hier nun zu wertvollen Gliedern der Gesellschaft verwandelt werden, mit etwas mehr Bescheidenheit und Demut.
Und es sind nicht einmal die wahren Fans, die so erstaunlich sind und in jeder Serienprobe mit ihrem Liebling mitfiebern und sehr genau hinschauen (womöglich mit Standbild), wie einer in eine Riesenkakalake beisst, oder sich sogar in Brehms Tierleben informieren, welche Schlange gerade getätschelt wurde. Es sind jene TV-Konsumenten bemerkenswert, die die Sendung „blöd“ finden und trotzdem gucken. Das wäre ja so, als ob einer mit Fischallergie mehrmals wöchentlich in einer Sushi-Bar speist oder einer es sich mit Heuschnupfen auf dem Bauernhof gut gehen lässt.
Selbst ein Haushalt wie meiner ohne Fernseher kommt an der Serie nicht vorbei. Man wird regelrecht verfolgt. Vor einigen Jahren erhielt ich auf meine Bemerkung, ich habe keinen Fernseher, die Frage, ob ich bedürftig sei. Damals fiel mir leider keine wirklich gescheite Gegenantwort ein. Jenen älteren Herrn würde ich jetzt gern 24 Stunden mit den „Highlights“ sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privater Fernsehsendungen allein lassen. Er könne sich nur auswählen, ob er Gerichtsshows, Daily-Soap und Co. in Schwarz-Weiß oder in Farbe anschauen möchte. Mal sehen, ob er dann nach der zweiten Stunde schon die Segel streicht und „hier raus will“.
Foto: Daniela Baack/pixelio.de
Das war ein netter Start in the Sonntagmorgen :D danke. Wir bekommen auch immer die eigentartigsten Reaktionen wenn wir sagen wir haben keinen Fernseher.
Ich denke solche Sachen zu schauen obwohl man sie nicht mag ist eine Form der intellektuellen Selbsterhebung. Man kann sich erhaben fühlen weil man es nicht ernst nimmt aber auch gleichzeitig den heimlichen Voyeurismus (Marke Autounfall begaffen) befriedigen. ;P
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