„Wir sollten nicht verschont werden. Wir sollten von Zeit zu Zeit richtig aufgestört werden.“
Irgendwann nach unserer Zeit. Die Menschen leben in feuerfesten Häusern. Die Wohnzimmer bestehen aus riesigen Fernsehbildschirmen. Der Besitz eines Buches gilt als Verbrechen. Wer ein Buch besitzt, kommt ins Zuchthaus oder ins Irrenhaus, je nach Geisteszustand. Zuvor rückt die Feuerwehr an, die die Bücher samt des Hauses verbrennt. Meist erhält sie einen Hinweis aus der Nachbarschaft. Denunziationen sind an der Tagesordnung. Denn Bücher in der Nähe will keiner um sich wissen. Guy Montag steht in den Diensten der Feuerwehr, die ihre einstige Aufgabe der Brandbekämpfung schon lange verloren hat. Seine Frau Mildred lebt dagegen in einer Scheinwelt und lässt sich von den Fernsehsendungen berieseln. Eines Tages lernt Montag die junge Clarisse kennen, ein Mädchen, das anders ist, die reale Welt hinterfragt, mit anderen Augen sieht. Als sie verschwindet und Montag einen entsetzlichen Einsatz erlebt, bei dem eine Frau mit ihren Büchern verbrennt, beginnt sein Umdenken. Die Menschheit steht währenddessen vor ihrem dritten Atomkrieg.
Ray Bradbury hat seinen Klassiker „Fahrenheit 451“ – Fahrenheit 451 ist die Temperatur, bei der Papier zu brennen beginnt – zwar in den 50er Jahren geschrieben, der jedoch so aktuell wie nie ist und zugleich schreckliche Erinnerungen an die Vergangenheit weckt. Gut, Bücher gibt es wie Sand am Meer, und eine Buchhandlung findet sich in jeder Stadt. Doch die großen Plasmabildschirme sind uns heute schon vertraut. Die Zahl der eifrigen Leser und Buchbesitzer sinkt. Und sicher können wir ebenfalls sein, dass uns nicht immer die Wahrheit gesagt wird und die bunte Werbung und die Nachrichten aus der Glitzerwelt Ablenkung beschert. Viele stellen keine Fragen mehr nach den Dingen, die die Welt zusammenhält. Individualismus gilt als unschick, als fragwürdig, für manche beängstigend.
Ähnlich ist die Zeit, die Bradbury, 1920 in Waukegan (Illinois) geboren, beschreibt. Und trotz dieser gerade zu düsteren, gar apokalyptischen Atmosphäre entwickelt sich die Geschichte zu einem hoffnungsvollen Schluss. Dem abtrünnigen Feuerwehrmann gelingt die Flucht, der zuvor den Hauptmann der Truppe und den mechanischen Spürhund ins Jenseits befördert hat. Die Jagd, an der die Öffentlichkeit mittels Live-Übertragung in jede gute Stube teilnimmt, endet mit dem Tod eines Unschuldigen. Die Stadt wird wenig später durch Bomben in Schutt und Asche gelegt. Guy gerät schließlich mit Hilfe des früheren Literaturwissenschaftlers Faber an eine Gruppe Outsider, meist Gelehrte, die früher an Hochschulen gelehrt hatten, nun abseits der normalen Gesellschaft leben und als lebendige Bücher durch das Land ziehen und den kostbarsten Besitz, die Erinnerungen an gelesene Bücher, in ihrem Geist bewahren.
Fünf Erzählungen hat Bradbury in seinem kurzen, aber unschätzbaren Roman verarbeitet, geschrieben in einer Bibliothek, in der man einen Raum mit einer Schreibmaschine mieten konnte. 2008 brachte der Diogenes-Verlag eine Neuauflage heraus, mit einem Vor- und Nachwort des Autors. Darin schreibt er: „Denn wenn sich die Welt mit Nichtlesern, Nichtlernern, Nichtwissern füllt, braucht man Bücher nicht mehr zu verbrennen. (…) Natürlich ist noch nicht alles verloren. Noch ist Zeit ….“ Bradbury bekanntestes Werk ist Klassiker und Warnung zugleich, ähnlich wie George Orwells Werk „1984“. Beide sollten in Bibliotheken stehen oder in den Buchregalen daheim, die viel eher die Wände schmücken sollten als eben jene Plasmafernseher gigantischen Ausmaßes. Auch wenn diese besonderen Werke bei dem einen oder anderen Angst schüren vor einer trostlosen Zukunft, besser diese kommende Zeit nur aus Büchern zu kennen, als sie wirklich zu erleben. Die Zeit, eine hoffentlich buchfreundliche, gestalten wir selbst. Bücher zeigen „das Gesicht des Lebens mit allen Poren“.
„Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury erschien in einer Neuauflage 2008 im Diogenes-Verlag in der Übersetzung aus dem Amerikanischen von Fritz Güttinger.
220 Seiten, 9,90 Euro