Spätes Geständnis – Arturo Pérez-Reverte "Dreimal im Leben"

„Ich denke nie an diese Frauen. An keine von ihnen. Aber ich denke an dich. Glaubst du mir das?“

Max sieht Mecha, der mittellose Eintänzer trifft auf die vermögende Frau des bekannten Tango-Komponisten Armando de Troeye. Sie fühlen sich zueinander hingezogen, genießen die Zeit auf dem Ozeandampfer Cap Polonia, der auf dem Weg nach Argentinien ist. Der Musiker hat indes ganz andere Wünsche an den gutaussehenden und charmanten Max: Er soll ihn in die dunkelsten Kaschemmen von Buenos Aires führen, wo der ursprüngliche Tango noch zu Hause ist. Hier ist Max aufgewachsen, hier beginnt auch die hocherotische Liaison mit Mecha. Dass es Liebe ist, die sie aneinderbindet, werden sie erst rund 40 Jahre später fühlen und sich gegenseitig gestehen. Wenn sie in die Jahre gekommen, sich in Sorrent wiedersehen – das dritte Mal in ihrem Leben.

„Dreimal im Leben“ heißt das aktuelle Werk des bekannten spanischen Autors Arturo Pérez-Reverte, der mit seinem Roman „Der Club Dumas“ bekannt wurde. In seinem neuesten Buch verfolgt der Leser die drei Begegnungen von Max und Mecha – auf dem Dampfer 1928 gen Südamerika, in Nizza im Jahr 1937 sowie 1966 in Sorrent. Der Zufall treibt sie jeweils in die Arme des anderen, alle Begegnungen sind dabei nicht nur von viel Leidenschaft und Erotik geprägt: Erzählt wird über die Besonderheit des Tango, das Aufkommen des Faschismus in Europa und die Regeln des internationalen Schach-Sports. Denn Max stolpert in unfreiwillige Abenteuer: Als bekannter Meisterdieb, der reiche Frauen um ihren Schmuck bringt, soll er für zwei italienische Spione Briefe aus einer Villa entwenden, die in Verbindung zum Staatsstreich Francos stehen. Schon etwas ergraut und als Chaffeur in den Diensten eines Schweizer Arztes, wird er schließlich während der letzten Begegnung von Mecha gebeten, die Notizbücher des russischen Schach-Weltmeisters Sokolow zu stehlen. Diese sollen ihrem Sohn Jorge helfen, gegen den Großmeister zu gewinnen.      

Ja, die Geschichte – die vor allem das Leben von Max berichtet – ist schon verrückt. Aber auch meisterhaft erzählt:  Pérez-Reverte gelingt es, die einzelnen Handlungsstränge so zu verknüpfen, dass ein besonderer Spannungsbogen vor allem im letzten Drittel des Romans entsteht. Und da wünscht man sich gern einmal, dass er seine detailreichen Beschreibungen der Kleidung, der Orte und sogar des Lichts sowie die langen Dialoge zwischen Max und Mecha  straffer gestaltet, die allerdings wiederum in ruhigeren Phasen die Bilder einer glanzvollen wie unruhigen politischen Zeit heraufbeschwören und von der besonderen Beziehung und Anziehungskraft zwischen diesen doch so verschiedenen Menschen Zeugnis geben. Gerade die unterschiedliche Herkunft ist immer wieder Thema der beiden. Bei Max weiß der Leser nie, ob er immer die Wahrheit erzählt. Denn der gebürtige Argentinier, den es in jungen Jahren in die spanische Fremdenlegion verschlagen hatte, hat viele Identitäten, die er nach Belieben austauschen kann, und viele Namen: Er ist ein Schuft und Schwindler, ein Filou und Charmeur, der trotz seiner einfachen Herkunft weiß, wie man sich in gutsituierten Kreisen verhalten muss, um nicht aufzufallen. Trotz dieses zwiespältigen Charakters ist es gerade Max, der wohl eher die Sympathie des Lesers erhalten wird als die stolze Mecha, die immer wieder schwankt zwischen Zuneigung und Abneigung, ihn zum Gehen nötigt, um ihn wenig später doch bittet zu bleiben. Am Ende werden sie wehmütig und melancholisch einsehen, dass sie ein besonderes Paar gewesen wären.

Sprachlich ist der Roman vor allem dann voller Poesie und ein herrliches Leseerlebnis, wenn die kleinste Mimik, das zarteste Licht, die erotischen Stimmungen und die jeweilige Zeit mit ihrer Mode beschrieben werden. Tiefere Weisheit wird man indes leider vermissen, obwohl die Geschichte die große Themen des Lebens vereint. Trotz alledem ist dem Spanier ein spannendes wie herzergreifendes Werk gelungen, das man so schnell nicht aus den Händen legt.   

„Dreimal im Leben“ von Arturo Pérez-Reverte erschien im Insel-Verlag, in der Übersetzung aus dem Spanischen von Petra Zickmann.
525 Seiten, 22,95 Euro

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