Pate für ein Buch – Wie und warum ich Bloggerin wurde!

Wie lassen sich akustische Lautäußerungen am besten mit Worten beschreiben? Klar, es gibt Verben wie „schreien“, „juchzen“ und „in die Hände klatschen“. Aber so richtig fassen sie nicht, wie ich mich am vergangenen Freitagnachmittag verhalten und staunende Mienen bei meinen Kollegen hervorgerufen habe. Vor allem beschreiben sie nicht diese innere Freude, die einen ausfüllt und schier überwältigt. Was war passiert? Auf der Internetseite der Leipziger Buchmesse  unter der Rubrik „Blogger“ stand mein Blog „Zeichen und Zeiten“. Ich war zu einem Blogger-Paten ernannt worden – von insgesamt 15. Mit dieser erstmaligen Initiative will die Buchmesse den Bloggern einen größeren Raum geben. Und ich denke, ohne anmaßend sein zu wollen und im Namen aller Blogger, wir alle haben diese besondere Würdigung verdient. Wir alle sind leidenschaftliche Botschafter der Bücher und Literatur und stehen oftmals näher zu den anderen Lesern und Bücherfreunden als so mancher Kritiker. Weil wir womöglich klarer schreiben, wenn uns ein Buch gefällt oder nicht gefällt? Weil wir weit unabhängiger sind?  „Pate für ein Buch – Wie und warum ich Bloggerin wurde!“ weiterlesen

20 years ago – Zurück in die Vergangenheit

Mit 16 fühlte ich mich noch wie ein Kind, obwohl ich langsam begann, zu rebellieren – gegen meine Eltern und meinen „großen“, sieben Jahre älteren Bruder. Mit 16 lebte ich in meinem eigenen Universum, mit dem Buch ging es zur Hofpause, mit dem Rad von der Schule nach Hause – mit Zwischenhalt am Supermarkt, um die Schokoladen-Vorräte aufzufüllen. Meine Lieblingskleidung waren die quietschbunten Hemden meines Bruders, die ich heimlich aus seinem Zimmer klaute. Dass die Knopfleiste auf der falschen Seite war, interessierte mich nicht sonderlich. Oft träumte ich vom Oscar für die beste schauspielerische Leistung, sah mich schon in Hollywood während der Verleihung heulen, Mutti und Vati und ja meinem Bruder schluchzend danken. Manchmal hoffte ich dann wiederum, mit Elton John einmal auf der Bühne zu stehen und „Don’t go breaking my heart“ zu singen – ob mit Vollplayback oder ohne. Ich probte heimlich – mit der Haarbürste in der Hand. Mein Dasein als von der Klasse anerkannter Buchfreak brachte mich dazu, dass ich in den Pausen vor den Deutschstunden manchmal ausplauderte, wie es denn weiterging – mit „Werner Holt“ oder „Macbeth“. Zwischendurch knipste ich alles um mich herum – Mitschüler, Lehrer, das Pferd auf der Weide, die Elbe, den Teich im Garten. Die Kleinbildkamera war ein Geschenk zur Jugendweihe. Und ja, ich habe mich auch in den einen oder anderen verliebt, allerdings ohne nennenswerte Ergebnisse.

Und heute 20 Jahre später? Was ist aus all den Wünschen, Hoffnungen und Talenten geworden. Ich erinnere mich oft an die damalige Zeit – nicht nur jetzt wenige Tage vor dem nächsten Klassentreffen. Mein Gedanke ist dabei immer wieder derselbe und recht paradoxer Art: Als Kind willst du erwachsen sein, als Erwachsener sehnst du dich wieder in die Kindheit zurück. Vielleicht liegt es am ständigen und gefühlt immer schnelleren Vergehen der Zeit. Mit dem Oscar hat es nicht geklappt. Elton John habe ich während eines Konzertes gesehen, er sang ohne mich, und ich glaube, das war gut so. Seine Platten sind immer noch Teil meiner Sammlung, die mit den Jahren kräftig gewachsen ist – mit neuen Namen, neuen Musikstilen. Nur Volksmusik und Schlager bleiben draußen. Ein Leben ohne Bücher kann ich mir immer noch nicht vorstellen. Das Schreiben wurde zum Beruf, die erste eigene Fotoausstellung gehört bereits der Vergangenheit an.

Was wohl die anderen erlebt, durchlebt haben? Haus gebaut, Familie gegründet, ins Ausland gegangen, erfolgreich im Beruf? Ab und an gehen die Erinnerungen aber auch an jene Mitschüler und Kommilitonen, Lehrer und Professoren zurück, die es nicht mehr gibt. Trotz des traurigen Rückblickes oder vielleicht gerade deswegen denke ich, welch Riesengeschenk das Leben ist mit all seinen Begegnungen, nur wird uns dies viel zu selten wirklich bewusst, weil uns das Leben manchmal selbst keine Zeit dafür gibt.

PS: Das Foto entstand 1991.     

Gedanken an Pa

Es ist Sonntag, Totensonntag. In Gedanken gehe ich zum Friedhof in Röderau, öffne das schmiedeeiserne Tor, laufe auf dem Weg zu den Urnengräbern, vorbei an der schmucken Kirche. Ich stehe vor einer roten Granittafel, vor einem Strauß mit Rosen, einem Gesteck, einem kleinen grauen Gedenkstein. Auf der Tafel ist der Name meines Vaters zu lesen. Der Herbst 2012 wird nicht als der goldene mir in Erinnerung bleiben, sondern als jener, in dem mein Vater starb. Mit 64 Jahren. Mein Leben geht weiter, doch vieles ist anders. Allzu gern würde ich den Telefonhörer in die Hand nehmen, ihn anrufen, mit ihm über dies und das reden, über Fußball, das Wetter und ja auch das Auto. Nie mehr wird er mich an der Haustür empfangen, mir Kartoffelpuffer machen, mich ermahnen, dass ich auf mich aufpassen soll. Und nie mehr werde ich ihn ermahnen, doch nicht die Bild-Zeitung zu kaufen.

Vieles erscheint mit seinem Tod banal, sogar jene Dinge des Alltags, die das Leben schön machen: gutes Essen, ein Kinobesuch, die Musik im Radio. Als er im Sterben lag, habe ich kaum Musik gehört, obwohl ich sie doch so liebe. Ich hatte die Gelegenheit, mich von ihm zu verabschieden, nicht in der frühen Stunde des 12. Oktober, als er einschlief, sondern an jenem Tag, an dem ihm bewusst war, dass er nicht mehr viel Lebenszeit hat. Wir sprachen nicht über das Traurige, sondern über die schönen gemeinsamen Erinnerungen: die Reisen nach Norwegen, die Urlaubstouren an die Ostsee. Als ich ihm von meiner jüngsten Reise an die Ostsee erzählte, blickte er stumm zum Fenster, als ob da draußen das Meer wäre. Später weinte ich. Schmerzlicher dann der Abschied mit der Beisetzung. Du hättest Dich gefreut, die gesamte Familie beieinander zu sehen, vor allem Deine Geschwister. Solveig hat mir gesagt, sie hätte dich gern mit nach Norwegen genommen. Du fehlst sehr – mir, Ma, Torsten und all den anderen. Mein Leben geht weiter, auch für Dich. Im Stillen werde ich Dir erzählen, was ich erlebt und gesehen habe. Und ganz sicher bin ich: Du bist immer bei mir.

Foto: Gerd Altmann/pixelio.de