Gauguin im Schuppen – Jean-Luc Bannalec "Bretonische Verhätnisse"

Die Idylle in Pont Aven bekommt Risse. Der bekannte und geschätzte Hotelier Pierre-Louis Pennec liegt erstochen im Restaurant seines Hotels. Kommissar Dupin nimmt die Ermittlungen auf. Doch irgendwie will es nicht wirklich vorwärts gehen – trotz zahlreicher Gespräche mit der Familie, den Angestellten und Freunden des Ermordeten, trotz einer intensiven Spurenanalyse. Und wer sollte eigentlich den 91-Jährigen töten, wenn er sowieso schon schwer herzkrank ist und nur noch eine kurze Lebenszeit zu erwarten hat? Und was hat es mit einer Änderung seines Testaments zu tun?  Dupin steht vor einem Rätsel und der Druck ist groß, den Mörder zu überführen und die Tat aufzuklären.

Schließlich steht der beliebte Urlaubsort, idyllisch  in der französischen Bretagne gelegen, vor der Saison. Und bekanntlich ist ein Verbrechen, gerade an einem Hotelier, schlecht fürs Geschäft.

Doch Jean-Luc Bannalec baut in dieses Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Täter seines ersten Romans „Bretonische Verhältnisse“ eine besondere Geschichte ein. Pont Aven gilt als Künstlerdorf. In den Zeiten der Jahrhundertwende und darauffolgender Jahre weilten hier die großen Namen des Impressionismus und folgender Stile und Kunstrichtungen. Allen voran Paul Gauguin. Die Künstler liebten die bretonische Landschaft und die Nähe zum Atlantik. Pennecs Mutter, Gründerin des Hotels, war Gastgeber großer Namen und eben auch von Gauguin. Mit Hilfe der Kunsthistorikern Marie Morgane Cassel kommt Dupin einem großen Familiengeheimnis  der Pennecs auf die Schliche. Der Hotelier war im Besitz eines noch unbekannten Werkes von Gauguin, eines Stückes, das gut und gerne auf dem freien Kunstmarkt 40 Millionen Euro einbringen würde und vor allen Augen im Restaurant seinen Platz hatte. Doch dann wird der Sohn des Hoteliers, Luc, tot unterhalb einer Klippe aufgefunden und nach den Spuren zu urteilen, war dabei eine zweite Person involviert. Und so viel ist auch sicher: Der Hotelier wollte den unbekannten Gauguin nicht verkaufen, sondern dem Museum d`Orsay schenken.

Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Auf jeden Fall nimmt der Krimi mit jeder Seite an Fahrt zu, dank eines wunderbar konstruierten Spannungsbogens. Bis zum Ende des Buches ahnt man wirklich nicht, wer hinter den Verbrechen steht. Denn Bannalec legt klug und geschickt immer wieder kleine Andeutungen, die einen aber schließlich nur ins Reich der falschen Vermutungen führen. Und nicht nur deshalb ist dieses Erstlingswerks des 1967 geborenen Franzosen – im Übrigen laut Klappentext das Kind eines Bretonen und einer Rheinländerin – überaus empfehlenswert.Mit dem eigenwilligen Kommissar Dupin hat er einen kauzigen, aber charmanten Zeitgenossen geschaffen. Doch nicht wie meist in den skandinavischen Romanen mit einer ganzen Reihe an privaten Problemen. Dupin ist zwar ebenfalls ein Einzelgänger, aber kein selbstzweiflerischer, sondern eher ein stiller Genießer. Er liebt Kaffee, gutes Essen und Pinguine. Der Autor stellt ihm zwar eine ganze Reihe an Kollegen zur Seite, der Fokus liegt trotzdem voll und ganz auf Dupin.  Bannalec gelingt es zudem, ein wunderbar warmherziges Porträt seiner Heimat und deren Einwohner zu zeichnen, die zwar ihre Eigenarten haben, aber liebenswert erscheinen und vor allem sehr mit ihrer Heimat verbunden sind und besondere Bräuche pflegen. Man möchte sofort seine Koffer packen und eine Reise ans andere Ende der Welt unternehmen und all jene Handlungsorte des Buches abspazieren.

Bis man allerdings eine Bretagne-Tour mit einen neuen Fall Dupins in Form des nächsten Romans im Gepäck antreten kann, sollte man etwas Geduld beweisen. Bis dahin könnte man ja die Romane von Bannalecs großer Krimi-Kollegin Fred Vargas sich zu Gemüte führen. Aber nicht nur als „Appetizer“, sondern vielmehr als Vergleichsmöglichkeit. Denn Bannalec ist mit seinem Erstlingswerk eine große Karriere zuzutrauen. Doch vielleicht wird ja alles ganz anders: Denn hinter seinem Namen wird ein ganz anderer vermutet nämlich der Chef des renommierten S. Fischer-Verlages, Jörg Bong. Schade eigentlich – dieses Versteckspiel.

„Bretonische Verhältnisse“ von Jean-Luc Bannalec erschien bei Kiepenheuer & Witsch. 
304 Seiten, 14,95 Euro

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