Was sie sich wohl sagen würden, sich zu erzählen hätten, wenn sie aufeinandertreffen würden? Im zeitlichen Raum trennen Wallenstein, Gustav II. Adolf und Napoleon 170 Jahre. Von der räumlichen Dimension jedoch gesehen, haben sie nahezu auf gleichem Boden gekämpft. Im Jahr 1634 stirbt während der Schlacht bei Lützen Wallensteins Widersacher, Schwedenkönig Gustav II. Adolf, der „kleine“ Franzose erringt bei Großgörschen einen Sieg, bevor seine Truppen bei Leipzig die entscheidende Niederlage hinnehmen müssen. In der Gegenwart kommen die drei großen Heerführer nun doch auf besondere Weise zusammen – im Buchregal.
Nach den Prachtbänden über den Schwedenkönig (2007) und den Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee mit dem Titel „Die blut’ge Affair’ bei Lützen – Wallensteins Wende“ (2012) ist nun das Werk „Napoleon – Vor dem Fall Großgörschen 1813“ im Verlag Janos Stekovics erschienen, herausgegeben vom früheren Leiter des Museums Lützen und einstigen Prokurator der Stiftung Schulpforta, Maik Reichel. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Beiträge stehen die Befreiungskriege und die Zeit der französischen Besatzung, fokussiert auf die Schlacht bei Großgörschen nahe Lützen, die Belastungen des Krieges sowie die Spuren und Auswirkungen, die bis heute in der Region zu finden sind und das deutsch-französische Verhältnis beeinflussen. Dieses Buch verstehe sich nicht nur als gemeinsames Projekt der Region, sondern erinnere auch an das teils schwierige Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, heißt es im Vorwort. Viele Themen, manche ganz spezieller Art, finden sich in dem mehr als 300-seitigen Band, der damit auch ein herausragendes Ergebnis interdisziplinärer Zusammenarbeit darstellt. Neben Beiträgen zur Militärgeschichte, beispielsweise über Scharnhorst, Blücher und Ney, findet sich viel Wissenswertes zur Militärmusik, den Medaillen und Orden sowie der Bekleidung der damaligen Zeit. Mit einem Text über Johann Gottfried Seume ist auch die Literaturgeschichte bestens vertreten, ein weiterer blickt auf die Rolle des schwedischen Königs Gustav IV. Adolf.
Begleitet werden die Beiträge – wie auch im Wallenstein-Band – durch eindrucksvolle Fotografien des Verlegers Janos Stekovics, wie von Nachstellungen der Völkerschlacht und vom Scharnhorstfest in Großgörschen. Aktuelle Aufnahmen zeigen zudem die französische Hauptstadt Paris im 50. Jahr des Élysée-Vertrages. Hinzu kommen Karten, historische Buchillustrationen sowie Abbildungen von Ausstellungsstücken. Einmal dieses aufwendige und liebevoll gestaltete Werk zur Hand genommen, legt man es so schnell nicht weg. Genau so schnell weiß man auch, dass der Band ein Schatz ist – und nicht nur für all jene, die sich für die Zeit Napoleons schon immer interessiert haben.
„Napoleon. Vor dem Fall Großgörschen 1813“ Herausgeber: Maik Reichel, Fotografien: Janos Stekovics
320 Seiten, 391 meist farbige Abbildungen, 24,80 Euro