„Beide inszenieren sich in verschiedenen Rollen hinein, sind ihre eigenen Regisseure in selbst erfundenen Stücken, die sich schließlich als erschütternd real enthüllen.“
Sie war die dichtende Diva, von einer geheimnisvollen Aura und unzähligen Bewunderern umgeben, er der berühmte Schriftsteller, der sich eher in einer familiären Bürgerlichkeit wohlfühlte. Zusammen galten Ingeborg Bachmann (1926-1973) und Max Frisch (1911-1991) als das Traumpaar der deutschsprachigen Literaturszene. Obwohl von ihrer gemeinsamen Zeit nicht ein Foto existieren soll. Diesem besonderen Kapitel im Leben beider und nicht minder der deutschen Literaturgeschichte widmet sich die Germanistin Ingeborg Gleichauf in ihrem Band, der als Titel den Namen beider berühmter Autoren und die Unterzeile „Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit“ trägt. Die Autorin ist sehr vertraut mit dem Leben und Schaffen beider Schriftsteller. Gleichauf promovierte über Ingeborg Bachmann, verfasste eine Biografie über Max Frisch. Und dieses umfangreiche Wissen trägt auch dazu bei, dass ihr neuestes Werk herausragend ist. Chronologisch berichtet sie von der vierjährigen Beziehung in den Jahren von 1958 bis 1962, vom Kennenlernen in der Weltstadt Paris, von den weiteren Begegnungen, vom gemeinsamen Haus in Rom bis zur plötzlichen Trennung, die vor allem Ingeborg Bachmann das Herz gebrochen hat, während Frisch indes noch als alter Mann seiner einstigen Partnerin auch nach ihrem frühen Tod gedachte. Doch Ingeborg Gleichauf geht über dieses zeitliche Erzählen weit hinaus – und darin liegen auch die Faszination und der Lesewert, die dieser zwar dünne, aber trotz allem sehr wertvolle Band besitzt. Die Autorin taucht tief hinein in die Persönlichkeit der beiden berühmten Personen, in ihre Eigenheiten, die sie sowohl verbanden als auch unterschieden, und gibt jeweils Einblicke in den Alltag des Menschen mit seiner speziellen Lebensgeschichte und des Autoren. Bachmann offenbart sich in diesem Buch von ihren schwerwiegenden Kriegserlebnisses gezeichnet, die bereits als Jugendliche in der Literatur ihren Anker ausmachte und sich stets auf der Suche nach Sehnsuchtsorten befand. Frisch, gelernter Architekt, zeigt sich eher als beständiger Bürger, der in seinem Leben neben Literatur und Philosophie vor allem die Familie als beständige Gemeinschaft bevorzugte, obwohl er sich von seiner Frau und den Kindern getrennt hatte, aber deshalb auch Ingeborg Bachmann bereits nach kurzer Zeit einen Heiratsantrag machte, der indes von ihr abgewiesen wurde.
Das beide verbindende Element bildet natürlich die Literatur. Beide lernen sich vor ihrem ersten Treffen über die Werke des anderen kennen, beide schätzten sich gegenseitig. Sicherlich war die Literatur und das Schreiben jene Kraft, über die sich fanden. Ihre, in der gemeinsamen Zeit und darüber hinaus entstandenen Werke enthalten markante Spuren ihrer Partnerschaft. Auch das ein großes Thema in diesem Werk, wie es ebenso die gemeinsamen Freundschaften zu anderen Künstler- und Literaturkollegen – allen voran Uwe Johnson – sind. Doch das Buch knüpft vor allem ein Band zu einer besonderen Bindung: jene von Ingeborg Bachmann und Paul Celan, einem weiteren großen Dichter. Auch sie waren ein Paar. Und Ingeborg Gleichauf hinterfragt, welche Rolle diese Liaison auf die Beziehung zwischen Bachmann und Frisch hatte. Wer mehr darüber wissen möchte, sollte unbedingt zum 2009 im Suhrkamp Verlag erschienenen Briefwechsel beider mit dem Titel „Herzzeit“ greifen. Beide Werke ergänzen sich wunderbar. Und ein drittes Thema hebt Gleichauf besonders heraus: die Lieblingsorte der beiden Schriftsteller. Denn neben den verschiedenen persönlichen Erfahrungen, Denkweisen und Verhaltensmuster scheinen auch diese unterschiedlichen Vorstellungen vom Lebensort zur Trennung beigetragen zu haben.
All diese Themen und deren enge Verflechtung fügen sich zu einem prägnanten Bild dieser speziellen Partnerschaft zusammen und zeichnen detailreiche Porträts zweier besonderer Menschen, die nicht nur über ihr einzigartiges Talent und Schaffen, sondern vor allem über ihre Persönlichkeit, ihr Herz und ihre Seele, unglaublich lebendig werden und damit ungemein menschlich wirken. Die Reihe an Fotos als kostbare Zeitdokumente ergänzen diesen eindrücklichen wie auch spannend zu lesenden Band auf wunderbare Weise.
Das Buch „Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit“ von Ingeborg Gleichauf erschien im Piper Verlag.
224 Seiten, 19,99 Euro