Meine Insel, mein Blockhaus, mein Motorboot

Was mache ich nur bloß mit 279 Millionen Euro? Also, eine eigene Insel wäre nicht schlecht. Aber nicht im Pazifik, mit Palmen und daunenweichem Strand und so. Eher wohl an der nordamerikanischen Küste. Dort sollen ja auch noch ein paar frei und verkaufbar sein. Da habe ich dann Ruhe und vor allem mal wieder Winter. Nicht so wie hier. Ich lasse auf der Insel ein Blockhaus bauen. Gemeine Wölfe wird es auf der Insel nicht geben, die es mir fortpusten können. Das könnte eher ein tüchtiger Orkan bewältigen. Aber den bösen Gedanken lassen wir mal lieber. Mit 279 Millionen Euro soll es uns doch so richtig gut gehen. Ob ich mir einen Privatjet dafür leiste? Schließlich sollte man dann und wann Kontakt zur Außenwelt pflegen und zum Festland hinüberdüsen. Aber ob sich ein Pilot findet? Piloten wollen doch immer nur in den warmen Süden fliegen. Aber ich nicht. Ein Motorboot, höherer Preisklasse natürlich, wäre da eher etwas. Damit kann ich auch auf Wal-Watching-Tour gehen. Oh ja, und auf Fischfang. Obwohl, in Norwegen wollten ja vor einiger Zeit nicht mal die Lachse beißen. Aber wir üben noch. Und wie soll ich mir noch den Tag versüßen? Ich baue mir ein eigenes Kino mit riesiger Leinwand und nur einer begrenzten Anzahl an Sesseln. Diesen 3-D-Kram brauche ich allerdings nicht. Ich könnte aber auch so viel Musik herunterladen, dass die Amazon-Seite zusammenstürzt oder mir so viele Bücher per Internet bestellen, dass die Post mehrmals am Tag zu mir fliegen muss. Natürlich sollte das Porto stabil bleiben. Obwohl, bei Amazon erübrigt sich das mit dem Porto ab einem Bestellwert von 20 Euro. Super, da kann ich ja noch richtig sparen. Auch wenn ich superreich bin…

…wie der neue Apple-Chef Tim Cook. Der hat eben jene Summe von 279 Millionen Euro (297 Millionen Dollar) eingestrichen. Zu seiner Verteidung sollte man indes erwähnen, dass er einen Großteil dieses Geldes „nur“ als eine Option auf  Apple-Aktien ausgereicht bekommt und auch erst in den kommenden Jahren. Ob ich dem Herrn Cook mal meine Vorschläge maile, wie er sein Vermögen am bestens umsetzen kann. Ich sollte ihm allerdings nicht unbedingt verraten, dass ich kein einziges Produkt seiner Firma nutze. Sonst fallen womöglich meine Aktien.

Foto: Benjamin Klack/pixelio.de

Müllbehälter mit literarischem Namen

Recht anspruchsvoll geht es auf dem Naumburger Weihnachtsmarkt zu. „Professor Unrat“ steht auf den Deckeln der stinknormalen Müllbehälter. Wie wohl der große Heinrich Mann auf die Nutzung des Titels seines bekannten Werkes reagieren würde? Womöglich würde er auch anderweitig wohl klingendere, weil literarische Namen vergeben. Ein Straßenmusikant sorgt für die „Dreigroschenoper“ (Bertolt Brecht). So manche Behörde erscheint kafkaesk wie das „Schloss“, ein nicht funktionierender und daraufhin von Fäusten traktierter Parkscheinautomat in Naumburg dagegen als „Blechtrommel“ (Günter Grass). Das wirre Treiben auf den Kirschfestwiesen erweist sich als „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ (William Makepeace Thackeray), ein untalentierter und für einen Wasserschaden sorgender Klempner-Azubi dafür als „Zauberlehrling“ (Johann Wolfgang Goethe). Und was wäre ein unfähiger Lokalpolitiker? „Der Mann ohne Eigenschaften“ (Robert Musil).

Fensterchen öffne dich!

Nach dem ersten Fensterchen kommt heute das zweite dran. Huch, was bloß drin ist? Und vielleicht  lässt sich auch gleich das dritte bis siebente öffnen. Beim Naschen ist Zügellosigkeit ab und an erlaubt. Wer sagt denn, dass ein mit Vollmilchschokolade gefüllter und damit eher preiswerter Adventskalender Disziplin verlangt. Die winzigen Nummern an den Türchen erwecken kaum das schlechte Gewissen.
Mit jenen eher  kostspieligen   und besonders gefüllten Varianten verhält es sich indes etwas anders. Mittlerweile  gibt es  von ihnen eine große Auswahl, je nach Geschmack des Konsumenten.  Teetrinker erleben  ebenso Abwechslung wie die süßen Kleinen mit  ihrem neuen Spielzeug für jeden Tag. Selbst Hund und Katz’ können wir eine Überraschung bieten, während wir immer noch in eher langweiliger Manier den Piepmätzen im Vogelhaus was zum Futtern vorsetzen.  Oder ob heute zu später Stunde in so mancher guter Stube am Fensterchen  genestelt wird  mit der Aussicht auf ein erotisches Bildchen?  Huch – bloß wieder zumachen, sonst sehen es noch die Kleinen.

Die Zeitung – "Gefällt mir"

Im Kollegenkreis gibt es einen kleinen Reim, der die besondere Rolle der Zeitung auf den Punkt bringt: Zeitung lesen, dabei gewesen, Diese vier Worte fallen meist ironisch, wenn einer mal nicht auf den neuesten Stand ist. Dass der Spruch nun auch angesichts der herrschenden Präsenz von Facebook weiterhin Gültigkeit hat, verblüffte mich unlängst. Die bekannte Community nutzten wir, um über ein hier in Naumburg heiß diskutiertes Thema noch einmal zu berichten. Im Mittelpunkt stand der Text einer Kranzschleife zum Volkstrauertag mit den Worten „Wir gedenken der gefallenen Helden“. Hoch schlugen die Wellen der Empörung bei der Partei Die Linke. Doch ein Landtagsabgeordneter musste schließlich klein beigeben, als er die Zeitung aufschlug. Die Reaktionen auf seinen Facebook-Eintrag  las er dort zuerst, musste er freimütig gestehen – natürlich auf Facebook. Uns hat’s gefreut. Wurden wir doch eher registriert als die schnelllebigen und auch meist schnell hingetippten Meinungen und Einträge.

Und ist es nicht auch so, langsam wird’s zu viel. Es blinkt und piept nur noch, wenn Kommentare per Mail angekündigt werden. Die neuen Postings (ein schönes Wort, wenn man an die Behäbigkeit der Post denkt) sind oft so inhaltsleer, so ohne Aussage. Was bitte schön mache ich mit Einträgen über das gerade absolvierte Frühstück eines anderen, über Kopfschmerzen nach einem Saufgelauge – den virtuellen Salzstreuer oder die virtuelle Aspirin reichen? Wir kreieren Datenmüll und freuen uns noch darüber; das zeigen wir auch an mit einem „Gefällt mir“ auf das „Gefällt mir“. Leider sind gute Einträge Mangelware, wie kluge Kommentare in einer Diskussion, ein interessanter Link auf ein wirklich interessanten Beitrag oder eine richtige Antwort auf eine ernst gemeinte Frage.
Wir brauchen uns nicht zu beschweren, angesichts jener Zeit, die wir auf den Bildschirm glotzend vergeuden und uns etwas widmen, das dabei wenig Bedeutung für unser Leben hat. Und da ist die Zeitung wiederum im Vorteil. Sie hat einen bestimmten Umfang an Seiten und sie fordert auch kein Klick auf den „Gefällt mir“-Button, vielmehr Konzentration auf’s Lesen und ein Thema. Und sie raschelt so schön.

Ordnung ist beherrschtes Chaos

Ordnung ist das halbe Leben, mahnte mich einst ein Lehrer während einer dieser unzähligen und eher unaufgeregten Hofpausen meiner Schulzeit. In welchem Zusammenhang er das zu mir sagte, weiß ich heute, einige Jahre später, nicht mehr. Nur an eines kann ich mich erinnern: Ich sagte ihm, dass Ordnung nur ein Viertel meines Lebens sei. Ob auch diese Bruchrechnung aufgeht, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht sind aus dem Viertel im Laufe der Zeit vielmehr nur ein Achtel geworden. Aber warum sich mit Bruchrechnung beschäftigen und der Ordnung im Leben eine Nische geben, die man sowieso nicht findet in jenem Chaos, das Leben heißt.
Schon das Weltraum beweist es: Ständig fressen Schwarze Löcher Materie, ja ganze Galaxien verschwinden auf Nimmerwiedersehen, Galaxien, denen wir noch nicht einmal einen Namen gegeben haben, obwohl wir doch sonst so ordnungsliebend sein sollen.

Ein kleines Schwarzes Loch befindet sich unter meinem Couchtisch ähnlich dunkler Farbe. Es ist die Vorstufe vor der berühmt-berüchtigten Rundablage, also dem Papiercontainer oder Mülleimer. Doch so eine Ablage ist schon praktisch, schnell kann ich mich vor allem jener Dinge entledigen, für die ich vorerst keine Verwendung finde: Werbung in Zeitschriften, die Brillenetuis Nummer fünf und sechs, Microfaser-Brillenputztücher, Werbekugelschreiber, die nach wenigen Tagen eine leere Mine offenbaren. Was man da nicht alles findet, wenn man der Ordnung zuliebe dann doch mal wieder aufräumt. Aber warum Ordnung halten, wenn die Entdeckung der Dinge so viel Spaß macht. Und man spürt vor allem Sachen auf, die man eigentlich gar nicht gesucht hat: ein Handy-Schutz, der schließlich bei der Anprobe doch nicht passt, eine Panorama-Postkarte aus Schottland von einer Freundin. Kürzlich fand ich ein Foto, eine Aufnahme von einem Zirkus. Erinnerungen kamen auf. Jenes Bild entstand während meiner ersten Tour als Journalistin, nun gut als frische Praktikantin und damit angehende Journalistin. Es war meine erste Story, mit der ich am ersten Tag des Praktikums in der Lokalredaktion einer Tageszeitung ins „kalte Wasser“ geworfen wurde.

Und dieses Foto brachte mich zum Nachdenken: Das Leben ist nicht zur Hälfte Ordnung, vielmehr vielleicht eine Abfolge bunter Vorstellungen, bei denen auch mal die Pferde scheuen können, dem Jongleur die Kugel herunterfällt oder die Seiltänzerin vom Sicherheitsnetz aufgefangen werden muss. Dann geht den Musikern der Blaskapelle die Luft aus, und dem Direktor kann auch schon einmal der Hut herabfallen. Es geht also drunter und drüber. Die Beherrschung des unwägbaren Chaos ist dann die wirkliche Kunst, denke ich.

Foto: Thomas Nestke/pixelio.de

Oben und unten

Im Supermarktregalen stehen die preiswertesten Produkte unten, die teuren in Augenhöhe. Dies ist Punkt eins jeder Verkaufsstrategie eines Marktes. Gefolgt von jenen, dass im Hintergrundmusik die Kauflust erhöht und nur die wenigen sich verkneifen können, an der Kasse noch das eine oder andere Produkt in den Korb oder gleich aufs Band zu legen, ob Bonbons oder Duftbäumchen. Mittlerweile hängen dort auch schon mal High-Tech in Form von winzigen USB-Sticks mit sehr großer Speicherkapazität. Die lassen sich auch so leicht verlieren, flugs verschwinden sie in einer Hosentasche und nach einigen Wochen in der Waschmaschine. Deshalb ist es ja auch praktisch, sie immer wieder beim Einkauf an der Kasse, einem sehr leicht zu merkenden Ort, den jeder Kunde fast zwangsläufig begegnen wird, erwerben zu können.  

Die Philosophie des Oben und Unten, der wertvolleren beziehungsweise der weniger kostbaren Dinge, sollte jeder Leser von Internetseiten diverser Tageszeitungen oder Magazine einmal direkt beim Scrollen hinterfragen. Klar, oben stehen die brandaktuellen Dinge, also jene Themen, die von Usern mit Interesse, aus welchen Gründen auch immer, gelesen werden. Es ist nur dann im Verlauf des Scrolling-Vorganges erstaunlich, an welcher Stelle die Beiträge aus dem Ressort Kultur, auch Feuilleton genannt, zu finden sind. Eher im unteren Bereich. Traurig, aber wahr. In der Rangliste höher stehen sogar Artikel aus dem Bereich Panorama, also jene beispielsweise über ein kleines Erdbeben auf der Weihnachtsinsel, ein erkranktes Tier in einem Zoo mittlerer Größe oder die Geburt eines Kindes mit prominenter Abstammung und Vierfachnamen.

Da ist dann doch wieder tröstlich, wenn die großen Schlagzeilen von riesiger Bannerwerbung verdeckt wird, auch wenn es nur die Reklame eines Technikgiganten ist, der Rabatte anpreist. Für den Computer, der dann wunderbar passt zum gerade erworbenen USB-Stick, der fatalerweise ganz unten im Einkaufskorb lag und vergessen wurde ob seiner Winzigkeit. 

Die ersten Zeilen…

… und nichts fällt mir ein. Es ist ein trüber Novemberabend. Der Tag war lang. Auf dem Nachhauseweg sah ich den Weihnachtsbaum für den Weihnachtsmarkt, verziert mit Lichterkette und kleinen Geschenken. Über den Straßen der Innenstadt hängt auch schon der Schmuck. Vorfreude auf den Advent? Keine Spur. Eigentlich wie jedes Jahr. Das richtige Gefühl für die Weihnachtstage entsteht erst viel später, beim Kauf der Geschenke, beim Plätzchen-Backen, wenn am Abend wieder einige Kerzen angezündet werden.
Sie ist irgendwie heimelig diese Zeit, ja zauberhaft. Und nichts ist trauriger, als diese zu zeitig einzuläuten, ihr nicht den richtigen Zeitpunkt und die richtige Dauer zu gönnen. Wir wollen immer viel mit Hast erzwingen und vergessen, dass zu dem Schönen auch der passende Moment gehört. Ich gehe sie jedenfalls langsam an, diese wundersame Zeit. Gerade in der Langsamkeit sieht man mehr, erlebt man vieles intensiver.