Willy Vlautin – „Nacht wird es immer“

„Und ich werde alles geben und drauf achten, dass mich die Dunkelheit nicht überfällt.“ 

Sie schuftet für zwei, pendelt tagtäglich zwischen Bäckerei, College und Bar, um sich ihren Traum zu erfüllen. Die 30-jährige Lynette will das Haus kaufen, in dem sie mit ihrem Bruder Kenny aufgewachsen ist und darin ein Zuhause für die Zukunft schaffen, obwohl es alles andere als ein Prachtschloss ist, sondern eher einer Bruchbude gleicht. Sie versucht, das nötige Geld Cent für Cent zusammenzukratzen. Und das über Jahre. Doch ihre Mutter Doreen hat ganz andere Pläne. Doch das wird ihrer Tochter erst später bewusst. Mit „Nacht wird es immer“ hat der US-Amerikaner Willy Vlautin einen großartigen Roman geschrieben, der sowohl einen Grundkonflikt in einer bereits zerrütteten Familie schildert, als auch die Abgründe der US-amerikanischen Gesellschaft aufzeigt, in der unzählige Träume wie billiges Geschirr zerschlagen werden. 

„Willy Vlautin – „Nacht wird es immer““ weiterlesen

Joachim B. Schmidt – „In Küstennähe“

„Die Leute wissen einen Dreck.“

Ein Altersheim kann ja so ein wunderbares Versteck für einen Kleinkriminellen sein. Lárus ist die rechte Hand des Hausmeisters, seine illegalen Geschäfte betreibt er unauffällig. Er mäht zwar den Rasen, repariert dies und das, doch nebenbei scheffelt Lárus als umtriebiger Drogendealer kräftig Kohle. Das Altersheim Isafjörður ist das perfekte Alibi. Doch eine kaputte Heizung in Zimmer 37-A wird eines Tages sein Leben verändern. Er lernt Grimur, einen alten Fischer, kennen, der den furchteinflößenden Beinamen „Der Schlächter“ trägt. Er wird sein Freund – und unfreiwillig auch sein Mentor. In seinem Debüt „In Küstennähe“ beweist Joachim B. Schmidt seine Vorliebe für kauzige Figuren und ein Herz für ihre teils auch tragischen Lebensgeschichten.

„Joachim B. Schmidt – „In Küstennähe““ weiterlesen

Liz Moore – „Long Bright River“

„Die Welt verdunkelt sich an den Rändern.“ 

Philadelphia: Die für nordamerikanische Verhältnisse recht alte Stadt, die liebevoll Philly genannt wird, haben einst Bruce Springsteen und Elton John besungen. 1,6 Millionen Menschen leben in der Ostküsten-Metropole, die auch vom Wasser des breiten Delaware River geprägt wird. Doch wie es jeder Großstadt eigen ist – hinter glänzenden Hochhaus-Fassaden wartet das Dunkle, Armut, Schmutz und Kriminalität. Die amerikanische Autorin Liz Moore hat mit „Long Bright River“ einen eindrucksvollen weil komplexen Roman geschrieben, der sich verschiedenen Thematiken annimmt.

„Liz Moore – „Long Bright River““ weiterlesen

Das Böse – Louise Penny „Hinter den drei Kiefern“

„Und er fragte sich, ob einem, so wie die Liebe, auch der Hass aus früheren Leben folgte.“

Malerisch gelegen, erscheint Three Pines wie ein Ort, in dem man die ruhigen Töne des Lebens anstimmen und hier alt werden könnte. In dem kleinen Dorf in der Region Quebec unweit von Montreal hat sich eine Schar leicht schrulliger, aber liebenswürdiger Männer und Frauen niedergelassen und eine eingeschworene Gemeinschaft gebildet. Dieser gehören unter anderem die Ex-Psychologin und nunmehr als Buchhändlerin tätige Myrna, die in die Jahre gekommene Dichterin Ruth, die an ihrer Seite keinen Hund, aber eine Ente weiß, oder die Malerin Clara, die Bilder entstehen lässt, die irgendwie unfertig wirken, an. „Das Böse – Louise Penny „Hinter den drei Kiefern““ weiterlesen

On the road – Bill Beverly „Dodgers“

„(…) jedes bisschen Luft ein Rätsel, jede Person ein zukünftiges Ereignis.“

Man ist sogleich mittendrin: Der Hubschrauber kreist in der Luft, ein Heer aus Polizeiwagen rast heran. Ein Mädchen ist zur falschen Zeit am falschen Ort und wird diesen Tag nicht überleben. Ungläubig beobachtet East diese Zusammenballung merkwürdiger Ereignisse, die ihn zu einem Gejagten machen. East ist gerade mal 15 Jahre alt und kein großer, aber auch kein kleiner Fisch im Drogengeschäft von Los Angeles. Bis zu jener Razzia, die sein Leben verändern wird. In seinem eindrucksvollen Debüt hat der Amerikaner Bill Beverly einen ambivalenten Helden geschaffen, den man so schnell nicht vergisst.

„On the road – Bill Beverly „Dodgers““ weiterlesen

Über Grenzen hinweg – Jørn Lier Horst „Winterfest“

„Was ist das gute Leben?“

Keinen Krimiautoren sollte man mit einem anderen vergleichen; selbst wenn es nach meinen Erfahrungen in einigen Online-Foren oder Social-Media-Kanälen häufig praktiziert wird. Allein mit Blick auf den Umfang der Titel, die alljährlich erscheinen, den Handlungsort, die Herkunft des Autors  und auf die Art und Weise des Schreibstils zeigt sich dieses Genre ungemein vielfältig.  Womöglich liegt auch darin dessen Faszination. Und nicht jeder Skandinavien-Krimi lässt sich in eine solche Schublade stecken. Der Roman „Winterfest“ des Norwegers Jørn Lier Horst ist nicht der klassische nordische Krimi, aber in seiner unaufgeregten Spannung und seinem politisch-gesellschaftlichen Hintergrund ein starkes Buch. „Über Grenzen hinweg – Jørn Lier Horst „Winterfest““ weiterlesen

Abgründe – Smith Henderson „Montana“

„Nur noch Jäger und kaum Gejagte. Austeiler. Keine Kümmerer.“ 

Montana könnte mit Blick auf die geringe Bevölkerungsdichte als das Mecklenburg-Vorpommern der Vereinigten Staaten gelten. Auf einer Fläche nahezu so groß wie Deutschland leben nicht mehr als eine Million Menschen. In dem Bundesstaat, im Norden der USA und an der Grenze zu Kanada gelegen, gibt es also sehr viel Platz und sehr viel Ruhe. Womöglich allzu viel davon. Die Wege zwischen den Menschen sind weit, jeder kocht unbeobachtet vom Rest der Welt sein eigenes Süppchen. Sozialarbeiter Pete Snow hat alle Hände voll zu tun, Kinder aus Problemfamilien in Sicherheit zu bringen und aus der Spirale aus Drogen, Missbrauch und Gewalt zu holen.  „Abgründe – Smith Henderson „Montana““ weiterlesen

Abstieg – Tim Winton „Schwindel“

„Engel ziehen weg, Kumpel. Sie sterben. Sie werden alt. Sie lassen dich allein.“

Er ist ganz unten, allerdings zugleich auch oben. Der einst berühmte Umweltaktivist Tom Keely steht nach der Scheidung und dem Jobverlust vor den Scherben seines Lebens. Er wohnt im zehnten Stock eines Hochhauses in Fremantle, nicht weit von der westaustralischen Metropole Perth entfernt. In seinem unaufgeräumten Appartement lebt er zurückgezogen in einer selbst gewählten Isolation. Trübsinn und Selbstmitleid bestimmen seine Gedanken, Untätigkeit, Alkohol und Tabletten seinen von Geldnöten beherrschenden Alltag. Dann tritt mit Gemma und ihrem sechsjährigen Enkel Kai die Vergangenheit in sein Leben und verändert es schlagartig.  „Abstieg – Tim Winton „Schwindel““ weiterlesen