Backlist #8 – György Dragomán „Der weiße König“

„(…) ich solle zur Kenntnis nehmen, daß es am Krieg nie etwas Ehrliches gebe.“ 

Der Blick vom Westen in die Länder hinter dem Eisernen Vorhang ging in eine andere Welt. Es gab den Sozialismus, bei dem die Sowjetunion von der Schaltzentrale Moskau die Fäden fest in der Hand hielt. Es gab eine Plan- und Mangelwirtschaft. Die nicht der Ideologie Hörigen flohen, wenn sie konnten, oder wurden geächtet oder kamen hinter Gittern. Der Vater von Dszátá wird eines Tages von zwei fremden Männern abgeholt. Der Elfjährige weiß noch nicht, dass es Mitarbeiter der Securitate, des rumänischen Geheimdienstes, sind, die seinen Vater in ein Straflager bringen werden. Der ungarische Schriftsteller György Dragomán stellt ein Kind als Held in den Mittelpunkt seines 2012 erschienenen Romans „Der weiße König“ und erzählt das Geschehen aus der Sicht des Jungen. „Backlist #8 – György Dragomán „Der weiße König““ weiterlesen

Machtspiele – Anna Kim „Die große Heimkehr“

„Wenn Erinnerungen zu lange eingesperrt sind, müssen sie ausgesprochen werden, sonst verwandeln sie sich in Geister.“

Die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs politisch in zwei Staaten geteilte Halbinsel Korea scheint in hiesigen Breiten nahezu ein weißer Fleck auf der literarischen Landkarte zu sein. Wenige Romane widmen sich den beiden Ländern. Selbst ist mir da nur der Roman „Das geraubte Leben des Waisen Jun Do“ in Erinnerung, für den der Amerikaner Adam Johnson den Pulitzer-Preis erhalten hat. Und auch allgemein hält sich mein persönliches Wissen über Korea in Grenzen. Nun ist mit „Die große Heimkehr“ von Anna Kim ein Buch erschienen, das viel über die Geschichte beider Länder, vor allem die Schicksale von Menschen erzählen kann, die unter der Teilung des Landes und der Machtspiele zweier politischer Systeme zu leiden hatte. „Machtspiele – Anna Kim „Die große Heimkehr““ weiterlesen

Mensch vs. Kollektiv – Andrej Platonow „Die Baugrube“

„Wir spüren jetzt nichts, in uns ist nur noch Staub geblieben.“

Romane über totalitäre Regime haben immer wieder etwas Beängstigendes an sich. Im Gegensatz zu Dystopien, die bisher glücklicherweise nur auf der Einbildungskraft des jeweiligen Autoren basieren, können Bücher über Menschen und Geschehnisse in jenem politischen Herrschaftssystem auf die vergangene und leider auch jetzige Realität zurückgreifen. Der Roman „Die Baugrube“ des russischen Schriftstellers Andrej Platonow (1899 – 1951) erzählt eine nahezu kafkaeske Geschichte, die 1929 und 1930 entstanden ist, acht Jahre nachdem Josef Stalin (1878 – 1953) die Macht ergriffen hatte.   „Mensch vs. Kollektiv – Andrej Platonow „Die Baugrube““ weiterlesen

Eiszeit – Lydia Tschukowskaja „Untertauchen“

„Poesie – das ist jenes geheimnisvolle Etwas, das bei der sorgfältigsten, der musikalischsten Übersetzung unübersetzbar bleibt. Wort und Rhythmus – das lässt sich übersetzen, aber wie übersetzt man die Spur im Schnee, die beseligende Wunde der Erinnerung?“

Wenn das Land zu einem Gefängnis, zu einem Ort der Gefahren wird, wohin flieht ein vom politischen System Verfolgter? Für die Autorin und Übersetzerin Nina Sergejewna bieten die Stille und die Sprache die Möglichkeit, schreckliche Geschehnisse für eine kurze Zeit zu vergessen und innerlich unterzutauchen. In einem Sanatorium nahe Moskau sucht sie in den Wintermonaten Ruhe und Einsamkeit. Nach und nach findet sie heraus, was mit ihrem Mann geschehen ist. Er soll nach seiner Verhaftung im Jahr 1937 in einem Lager gestorben sein. Vor mehr als zehn Jahren. Nähere Informationen zu seinem Verbleib hat sie nie erhalten. „Eiszeit – Lydia Tschukowskaja „Untertauchen““ weiterlesen