Buntes Frühjahr – ein Blick in die Vorschauen

Für Bücherfreunde sind die zweimal jährlich erscheinenden Vorschauen für Frühjahr und Herbst wie Reisekataloge. Es geht in ein literarisches Schlaraffenland, in dem die Bibliophilen unter uns nie genug bekommen. Auch ich habe mich durch die Vorschauen geblättert und gebe einen Einblick in meine Wunschliste, die sich sicherlich noch vergrößern wird. Denn neben Wiederbegegnungen mit großen Namen beziehungsweise geschätzte Schriftsteller gibt es sicherlich die eine oder andere Entdeckung zu machen.

Aus hiesigen Landen

Auch die kommenden Frühjahrsvorschauen erinnern ein wenig an die Lektürliste eines Germanistik-Studiums, finden sich unter anderem Siegfried Lenz  (Hoffmann & Campe) und Hans Fallada (Aufbau-Verlag) wieder. Von Johannes Bobrowski wird es ein Band mit den gesammelten Gedichten geben (DVA, März). Zudem erscheint mit  „Trutz“ ein neuester Streich von Christoph Hein (Suhrkamp, März). Nach ihrem Erfolgsroman „Wald“ legt Doris Knecht mit „Alles über Beziehungen“ ein neues Werk vor (Rowohlt Berlin, März). Mit Begeisterung habe ich Natascha Wodins Schlüsselroman „Nachtgeschwister“ über ihre Beziehung zu dem Schriftsteller Wolfgang Hilbig gelesen. Mit „Sie kam aus Mariupol“ erscheint ein Buch über Wodins Mutter (Rowohlt, Februar). Noch nicht gelesen habe ich indes Birk Meinhardts DDR-Roman „Brüder & Schwestern“. Nun ist es Zeit für einen zweiten, gleichnamigen Teil, der von den Jahren nach der Wende erzählt (Hanser, Februar).  Ulrich Schacht habe ich kürzlich mit seiner Novelle „Grimsey“ kennengelernt. Sein kommendes Buch trägt den Titel „Notre Dame“ (Aufbau, Februar). Gespannt bin ich auch auf das Buch „Arbeiterroman“ von Gerhard Henschel (Hoffmann & Campe, Februar) sowie „Die Poesie der Hörigkeit“ von Lea Singer (Hoffmann & Campe, März), letzteres Buch erzählt die Liebesgeschichte von Gottfried Benn. Mit dem Schweizer Buchpreis wurde Henriette Vásárhelyi für „immeer“ bedacht. Nun erscheint ihr neuestes Werk „Seit ich fort bin“ (Dörlemann, Februar). Einen dicken Wälzer mit einer besonderen Familiengeschichte gibt es von Chris Kraus: „Das kalte Blut“ (Diogenes, März).

Blick ins Nachbarland

Nach Niederlande und Flandern wird Frankreich im kommenden Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse sein. Das zeigt sich bereits jetzt mit einem Blick in die Frühjahrsvorschauen. Eine Robinsonade der besonderen Art, bei der ein Paar auf eine abgelegene Insel nahe dem Kap Hoorn strandet, legt die gebürtige Pariserin Isabelle Autissier mit ihrem Roman „Herz auf Eis“ vor (mare, März).  Der in Kabul geborene, aber in Frankreich lebende Atiq  Rahimi, Preisträger des renommierten Prix Goncourt, wird mit seinem neuesten, ins Deutsche übersetzte Werk „Heimatballade“ in die Buchläden kommen (Ullstein, Februar). Für ihren nun in Deutschland erscheinenden Roman „Die Zeit der Ruhelosen“ war Karine Tuil für den Prix Goncourt nominiert. Von Olivier Adam, bekannt für „Klippen“ und „An den Rändern der Welt“, gibt ebenfalls einen neuen Roman. Er trägt den Titel „Die Summe aller Möglichkeiten“ (Klett & Cotta, Juni).

Über den großen Teich

Fans von Paul Auster können sich freuen: „4321“ heißt sein neuester Roman (Rowohlt, Januar). Auch die große Margaret Atwood ist noch nicht schreibmüde. Es erscheint „Hexensaat“ (Knaus, April). Von T.C. Boyle gibt es „Terranauten“ zu lesen (Hanser, Januar), von Dave Eggers „Bis an die Grenze“ (Kiepenheuer & Witsch, März). In deutscher Neu-Übersetzung erscheint „Boston“ von Upton Sinclair (Manesse, Juni). Nach seinem wunderbaren Roman „Diese gottverdammten Träume“ freue ich mich auf einen neuen Streich von Richard Russo: „Ein Mann der Tat“ (Dumont, Mai).  Das Buch, das dank Verlagsnewsletter zuerst auf die Wunschliste kam, war „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara (Hanser Berlin, Januar). Gespannt bin auf die mir noch unbekannte Jennifer Haigh mit „Licht und Glut“ (Droemer, April), „Ich bin niemand“ von Patrick Flanery (Blessing, März) sowie Laird Hunt mit seinem Bürgerkriegsroman „Die Zweige der Esche“ (btb, April).

Aus dem hohen Norden

In den vergangenen Jahren haben mich besonders zwei Schriftstellerinnen aus Finnland imponiert: Sofi Oksanen sowie Katja Kettu. Von beiden gibt es mit „Die Sache mit Norman“ (Kiepenheuer & Witsch, März) beziehungsweise „Feuerherz“ (Ullstein, Februar) neue Werke. Von Landsmann Jussi Valtonen kann „Zwei Kontinente“ gelesen werden (Piper, Mai). Von „Wir Ertrunkenen“ begeistert, herrscht deshalb Vorfreude auf einen neuen Roman des Dänen Carsten Jensen: „Der erste Stein“ (Knaus, März). Auch der Isländer Jón Kalman Stefánsson ist mit „Etwas von der Größe des Universums“ zurück (Piper, Februar). Auch Fans von Tomas Espedal können sich freuen. „Biografie, Tagebuch, Briefe“ gibt es bald in den Buchläden (Matthes & Seitz, April). Von dessen Freund und Kollegen Karl Ove Knausgård erscheint der letzte Band der „Min kamp“-Reihe mit dem Titel „Kämpfen“ (Luchterhand, Mai). Auch Jostein Gaarder bringt sich mit „Ein treuer Freund“ wieder in Erinnerung (Hanser, März). Neu sind für mich die beiden Norwegerinnen Maja Lunde mit den Roman „Die Geschichte der Bienen“ (btb, März) sowie Erika Fatland mit ihrem Reisebericht „Sowjestistan“ (Suhrkamp, März). Beide sind in ihrem Heimatland mit dem Buchhandelspreis geehrt wurden. Aus Schweden kommen Jonas Hassem Khemiri mit „Alles, was ich nicht erinnere“ (DVA, März) sowie Tom Malquist mit „In jedem Augenblick unseres Lebens“ (Klett & Cotta, März). Nicht zu vergessen an dieser Stelle der Blick in die Krimi-Ecke. Nach seinem spannenden wie tiefgründigen Debüt „Der letzte Pilger“ wartet Gard Sveen mit einem neuesten spannenden Fall des Kommissars Tommy Bergmann auf. „Teufelskälte“ heißt das Buch (List, Juni). Auch Anne Holt steht mit „Ein kalter Fall“ im Regal der Neuerscheinungen (Piper, März).  Gespannt bin ich auf „… und morgen werde ich dich vermissen“ von Heine Bakkeid (Rowohlt, Juli).

Und, und, und…

Die Romanreihe von Elena Ferrante zählt wohl zu den erfolgreichsten Literatur-Importen der letzten Jahre. Nach „Meine geniale Freundin“ freue ich mich auf die Bände zwei und drei (Suhrkamp, Januar, Mai). Auch Folge vier wird bereits angekündigt (Suhrkamp, Oktober). Auch Haruki Murakami ist bei den Neuerscheinungen wieder mit von der Partie – mit „Birthday Girl“, eine illustrierte Erzählung des Japaners. Von Claudio Magris gibt es ebenfalls ein neues Buch: „Verfahren eingestellt“ (Hanser, März). Mit Interesse begegne ich zunehmend Literatur aus dem Osten. Auf die Wunschliste schafften es Artjom Wesjoly mit „Blut und Feuer“ (Aufbau, Juni) sowie Michael Schischkin mit „Die Eroberung von Ismael“ (DVA, Mai). Von Primo Levi erscheint mit „So war Auschwitz“ erstmals übersetzte Erinnerungen (Hanser, März).  Interessant erschienen mir zudem die Romane „Die Reise“ von Murray Bail (Dörlemann, April), „Das Floß der Medusa“ von Franzobel (Zsolnay & Deuticke, Januar),  „Am Ende der Via Condotti“ von Sándor Lénárd (dtv, April) sowie „Hier treffen sich fünf Flüsse“ von Barney Norris (Dumont, März). Im Bereich Sachbuch gibt es zwei für mich spannende Titel: „Die Anfänge von allem“ von Jürgen Kaube (Rowohlt Berlin, Juli) sowie Gaston Dorren „Sprachen. Eine verbale Reise durch Europa“ (Ullstein, März).


Foto: pixabay

Von Kreuzberg bis Prenzlauer Berg – Literarische Tour durch Berlin

Am Morgen fällt mein Blick auf die Wand meines Hotelzimmers. In großen geschwungenen Lettern steht ein Zitat aus dem Märchen „Hans im Glück“ geschrieben: „Hans ging mit vergnügtem Herzen weiter; seine Augen leuchteten vor Freude, ich muss in einer Glückshaut geboren sein, rief er aus.“ In der Lounge grüßen mich am Frühstücksbüfett schließlich Worte aus „Tischlein deck ich“. Rundum literarisch gestaltete sich mein Wochenende in Berlin, nicht nur mit der Auswahl meiner Herberge für zwei Nächte, dem Grimms Hotel in der Alten Jakobsstraße. Die Agentur Kirchner Kommunikation hatte zum Bloggertag „Spreepartie“ geladen.  Und alles begann in den Räumen der Agentur in der Gneisenaustraße im Stadtteil Kreuzberg.  Tatjana Kirchner, Stephanie Haerdle, Judith Polte, Judith Tings und Katrin Ritte begrüßten mit Jochen Kienbaum („lustauflesen.de“), Marina Büttner („literaturleuchtet“), Gérard Otremba („Sounds & Books“), Mareike Dietzel („Herzpotenzial“), Jacqueline Masuck („masuko13“) und Elina Penner („Schnitzel & Schminke“) sechs weitere Blogger.

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Vier Stationen, vier Neuerscheinungen aus vier Verlagen standen auf dem abwechslungsreichen Programm. Den Anfang machte die Leipziger Illustratorin Christina Röckl. Die Absolventin der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle/Saale im Fach Illustration hatte nicht nur ihr Notebook und Fotos mitgebracht, um über ihr aktuelles Projekt, die Gestaltung des Buches „Liegender Akt“ von Nathalie Chaix (Kunstanstifter Verlag, Oktober 2016), zu sprechen. In Papier umhüllt war eines ihrer Arbeiten, die sie, wie sie erzählte, mit Farbe auf Holzplatten bringt. Die Auseinandersetzung mit der Lebens- und Liebesgeschichte des Künstlers Nicolas de Staël (1914-1955)  sei sehr intensiv, wie Christina Röckl erzählte. So besuchte sie die Lebensstationen des französischen Malers, sprach mit der Autorin und mit Übersetzerin Lydia Dimitrow. „Für jedes Kapitel führe ich ein Heft. Ich erstelle Skizzen und Listen, versuche, die Struktur zu erfassen“, sagte die Leipzigerin, die mit der Gestaltung des Bandes „Und dann platzt der Kopf“ – er wurde mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis gewürdigt – ihr Studium abschloss und gleichzeitig ihr Debüt beging. Christina Röckl zeichnet nicht nur verantwortlich für die Illustrationen des kommenden Bandes, sie übernimmt vielmehr die komplette Gestaltung des Werkes – von der Auswahl der Typografie über Format und Papier. „Es ist mir wichtig, alles zu konzipieren“, bemerkte sie.

Mit U- und S-Bahn ging es schließlich in die Kantstraße 76 im Stadtteil Charlottenburg; in eine besondere Buchhandlung. „Hedayat“ ist die größte persische Buchhandlung in Europa. Die Tische sind übersät mit Büchern, hoch ragen hier die Regale auf. Zwischendrin ein Stuhl, ein Sessel, um gemütlich Platz zu nehmen. Abbas Maroufi und seine Tochter begrüßten ihre Gäste. Der Iraner lebt seit nunmehr 1996 in Deutschland. Er war mit Hilfe des Deutschen PEN-Verbandes aus seinem Heimatland geflohen, nachdem er wegen „Beleidigung der islamischen Grundwerte“ verurteilt wurde. Maroufi berichtete von der aktuellen Lage in seinem Heimatland, seiner Arbeit, die weit über das Schaffen als Autor, Buchhändler und Verleger reicht: Der 59-Jährige unterrichtet in Online-Kursen zu verschiedenen literarischen Themen. „In Deutschland habe ich viel gelernt, die deutsche Literatur hat mich sehr geprägt“, sagte er. Gemeinsam mit Lisa Schöttler, Lektorin der Edition Büchergilde, sprach er zudem über seinen künftigen Roman: „Fereydun hatte drei Söhne“ (Edition Büchergilde, Oktober 2016).  Am Beispiel von vier Brüdern erzählt Maroufi darin von unterschiedlichsten politischen Wegen, die bis nach Deutschland und bis in den Tod führen.

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Der Berenberg Verlag in der Sophienstraße in Berlin-Mitte bildete die dritte Station. Im Mittelpunkt stand diesmal ein literarisches Sachbuch, das von Lektorin Beatrice Faßbender und Autorin Bettina Baltschev vorgestellt wurde. Mit „Hölle und Paradies“ erscheint im September ein Band, der sich der Geschichte des renommierten Amsterdamer Querido-Verlages beschäftigt. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933, der Bücherverbrennung sowie des Verbotes namhafter Autoren wie Irmgard Keun, Arnold Zweig, Joseph Roth, Anna Seghers und Klaus Mann bekamen die Werke der ins Exil gegangenen Schriftsteller in diesem Verlag ein neues Zuhause. Die Autorin und MDR-Redakteurin ist schon seit Jahren in Amsterdam heimisch. Für ihre intensive Recherche suchte sie  nicht nur Schauplätze auf. Sie studierte zudem Quellen und führte Gespräche. Besonders die Biografie des Verlegers Emanuel Querido (1871–1943) habe sie fasziniert, wie Bettina Baltschev erzählte: „Je mehr ich über ihn erfahren habe, desto wichtiger wurde mir die Geschichte.“ Für deutsche Leser werde es so manche Überraschung geben, versprach die Autorin. Lektorin Beatrice Faßbender stellte zudem in Aussicht: „Das Buch überzeugt durch seine Lebhaftigkeit.“

Den besonderen Abschluss bildete am frühen Abend das Verlagshaus Berlin im Stadtteil Prenzlauer Berg. Ein Trio – die beiden Verleger Andrea Schmidt und Dominik Zille sowie Lyrikerin, Übersetzerin und Sinologin Lea Schneider – begrüßte die Gruppe. Im Oktober wird mit dem Band „Chinabox. Neue Lyrik aus der Volksrepublik“ die erste Anthologie chinesischer Lyrik in Deutschland seit rund 20 Jahren erscheinen. Sie habe mehrere Ziele verfolgt, berichtete Herausgeberin Lea Schneider. Zum einen sollen in diesem Werk Gedichte von zeitgenössischen Autoren erscheinen, die noch nicht im deutschen Sprachraum präsent sind. Zum anderen wollte sie den Prozess des Übersetzens abbilden. Die Autoren habe sie auf Lesungen kennengelernt. Manche habe sie während ihrer Eigenrecherche gefunden, andere seien ihr durch Empfehlungen zugetragen worden.  „Der Band hat allerdings nicht den Anspruch, ein vollständiges Abbild der zeitgenössischen Lyrik in China zu vermitteln“, betonte Lea Schneider, die für „Invasion rückwärts“ 2014 mit dem Lyrikpreis der Stadt Dresden geehrt wurde.  Bei der Übersetzung verfolgte sie eine besondere Strategie: „Ich wollte stets den richtigen Sound des Textes finden.“

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Doch auch außerhalb des reichhaltigen wie erlebnisreichen Bloggertages begegnete ich Literatur und Kultur auf Schritt und Tritt: So auch während eines Besuches der Buchhandlung in Thaer im Stadtteil Schöneberg-Friedenau – Buchhändlerin Elvira Zellner-Hanemann, die das Geschäft gemeinsam mit ihrem Mann Walter Hanemann führt – kenne ich seit einigen Jahren. Bei Begegnungen, ob in Berlin oder zuletzt auch auf der Buchmesse Leipzig, sprechen wir natürlich vor allem über Bücher.  Zudem besuchte ich die aktuelle Ausstellung im Martin-Gropius-Bau mit Fotografien der legendären amerikanischen Fotografin Berenice Abbott (1898 – 1991). Für Freunde der Fotografie ist diese Schau ein Muss! Und dann trifft man in einer Großstadt wie Berlin auf unzählige Zitate an Wänden, dem Boden oder eben auch an der Wand des Hotelzimmers.

Weitere Berichte zum  Bloggertag gibt es auf „Literatur leuchtet“„Sounds & Books“, „masuko13“, „Herzpotenzial“, und „lustauflesen.de“.

Frühlingserwachen – Ein Blick in die Verlagsvorschauen

Das Leben besteht bekanntlich aus Entscheidungen. Manchmal muss eine von zwei Möglichkeiten gewählt werden. Schwieriger wird es, wenn mehrere bestehen. Ob in Lebensphasen oder konkreten Situationen. Bücherfans stehen immer wieder vor der Frage, welches Buch lese ich als nächstes, welche Bücher kaufe ich – angestachelt von Rezensionen in den Medien, Lesetipps von Freunden, Bücherbergen in den Buchhandlungen. Vor allem zweimal im Jahr scheint das Meer aus Möglichkeiten sich zu einem Ozean auszudehnen, in denen Bibliophile jedoch mit Begeisterung hineinspringen. Im Frühjahr und Herbst ist Hochkonjunktur  für Neuerscheinungen, die mit Verlagsvorschauen angekündigt werden. „Frühlingserwachen – Ein Blick in die Verlagsvorschauen“ weiterlesen