Backlist #4 – Agota Kristof „Das große Heft“

„Alle Welt ist in Schwierigkeiten.“

Manche Bücher begleiten einen, obwohl sie noch nicht gelesen worden sind, aber weil man sie unbedingt kennenlernen möchte. Egal aus welchem Grund. Der Roman „Das große Heft“ der ungarischen Schriftstellerin Agota Kristof ist solch ein Buch. Mich faszinierte das besondere Foto auf dem Cover, mich machten auch der Klappentext sowie die Aussagen zur Biografie der Autorin neugierig. Doch irgendwie fanden wir nicht zusammen. Eines Tages drückte mir jedoch die Leiterin einer Sekundarschule den schmalen Band in die Hand, als sie mir ein Buch zurückgab, das ich ihr zuvor ausgeliehen hatte. Tage, Wochen, ja Monate vergingen. Kristofs Roman blieb ungelesen im Regal liegen. Bis sie mich eines Tages daraufhin ansprach, mich auch ein schlechtes Gewissen quälte. Nun las ich es, und ich frage mich, warum dies nicht eher geschehen ist. Aber oft brauchen die gerade guten Dinge ihre Zeit.  „Backlist #4 – Agota Kristof „Das große Heft““ weiterlesen

Bilder – Attila Bartis „Das Ende“

„Im Grunde gibt es nichts, das dem Tode näher wäre als das Fotografieren.“

Wir versuchen, uns der Welt nicht nur in Worten, sondern auch in Bildern zu nähern. Ein für uns bedeutenden Moment gilt es festzuhalten – mit dem Smartphone, der Kamera, dem Gedächtnis. Obwohl man sich sicherlich fragen kann und sollte, welche Beziehung die Fotografie und das Gedächtnis zueinander eingehen. András Szabad, Held und Ich-Erzähler in dem neuen Roman von Attila Bartis, ist Fotograf und zugleich Chronist seines eigenen Lebens, der von seinen vielen Leidenschaften, seinen Erlebnissen und seinen Schicksalsschlägen berichtet.  „Bilder – Attila Bartis „Das Ende““ weiterlesen

Dorf ohne Idylle – Szilárd Borbély „Die Mittellosen“

„Vater sagte, es gibt Zahlen, die man nicht teilen kann. Sie haben keinen anderen Teiler als die Eins und sich selbst. Seither versuche ich jede Zahl zu teilen. Ich mag die, die keinen Teiler haben. Die so sind wie in diesem Dorf wir. Aus den anderen herausragen.“

Ein Junge lebt in einem Dorf. Mit seinen Eltern, der älteren Schwester, einem jüngeren Bruder. Die Familie ist arm und wohnt in einem Erdhaus mit Lehmwänden etwas abseits des Ortes. Der Vater hat oft keine Arbeit und trinkt, die Mutter weiß manchmal nicht weiter und droht, sich das Leben zu nehmen. Eine Spirale der Gewalt setzt sich in Gang: Die Eltern schlagen die Kinder, die Kinder töten kleine Tiere. Auch der Junge, der von seinem Leben erzählt. „Dorf ohne Idylle – Szilárd Borbély „Die Mittellosen““ weiterlesen

Einer bleibt zurück – Ralf Rothmann „Im Frühling sterben“

„Das ist der Krieg von Zynikern, die an gar nichts glauben, außer an das Recht des Stärkeren. Dabei sind’s  nur Kleingeister und Schwächlinge, ich hab’s im Feld erlebt.“

Es sind nur noch wenige Wochen bis Kriegsende. Walter und sein Freund Friedrich „Fiete“ ahnen es. Die Nachrichten über das Vorrücken der Alliierten und der Russen sprechen eine deutliche Sprache – trotz der immer lauteren Propaganda, die sich schier zu überschlagen scheint. Beide hoffen in ihrem norddeutschen Dorf, wo sie als Melker-Lehrling arbeiten, die letzten Züge des Krieges heil zu überstehen Doch dann werden sie mit gerade mal 17 Jahren für eine Versorgungseinheit der Waffen-SS zwangsrekrutiert. Ralf Rothmann erzählt in seinem neuen Roman „Im Frühling sterben“ keine ausgedachte Geschichte. Der Berliner Autor hat die Erlebnisse seines Vaters in einem autobiografischen Roman verarbeitet, der schmerzt.  „Einer bleibt zurück – Ralf Rothmann „Im Frühling sterben““ weiterlesen