Mensch vs. Kollektiv – Andrej Platonow „Die Baugrube“

„Wir spüren jetzt nichts, in uns ist nur noch Staub geblieben.“

Romane über totalitäre Regime haben immer wieder etwas Beängstigendes an sich. Im Gegensatz zu Dystopien, die bisher glücklicherweise nur auf der Einbildungskraft des jeweiligen Autoren basieren, können Bücher über Menschen und Geschehnisse in jenem politischen Herrschaftssystem auf die vergangene und leider auch jetzige Realität zurückgreifen. Der Roman „Die Baugrube“ des russischen Schriftstellers Andrej Platonow (1899 – 1951) erzählt eine nahezu kafkaeske Geschichte, die 1929 und 1930 entstanden ist, acht Jahre nachdem Josef Stalin (1878 – 1953) die Macht ergriffen hatte.   „Mensch vs. Kollektiv – Andrej Platonow „Die Baugrube““ weiterlesen

Andrea Wulf „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“

„In der unberührten Natur liegt die Erhaltung der Welt.“ Henry David Thoreau

Er war der bekannteste Entdecker, Forscher und Reisende seiner Zeit. Und obwohl heute noch zahlreiche Schulen, Straßen und Plätze, eine Pinguin-Art und ein Mondkrater neben vielen weiteren Örtlichkeiten und Geschöpfen nach ihm benannt sind, ist sein Wirken und seine Bedeutung in Geschichte, Gegenwart und für die Zukunft nahezu in Vergessenheit geraten. Alexander von Humboldt (1769 – 1859) diskutierte mit Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, brachte Charles Darwin dazu, die Beagle für eine Weltumsegelung zu besteigen, und inspirierte bedeutende Naturschriftsteller wie beispielsweise Henry David Thoreau. Andrea Wulf hat über den deutschen Wissenschaftler ein Buch geschrieben, das Maßstäbe setzt und eine wundersame Lektüre bereitet.  „Andrea Wulf „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur““ weiterlesen

Rückblende – Anthony Marra „Letztes Lied einer vergangenen Welt“

„Es gibt mehr Möglichkeiten, sich an einen Menschen zu erinnern, als es Menschen auf der Welt gibt.“

In einem meiner Lieblingsbuchläden fiel er mir auf: der Roman von Anthony Marra mit dem Titel „Die niedrigen Himmel“. Mit diesem meisterhaften Buch erlebte ich meine erste literarische Begegnung mit Tschetschenien – ein Land, das in den vergangenen Jahren vor allem durch die Berichte zweier Kriege regelmäßig in die Schlagzeilen gekommen war. Mit seinem neuesten Werk „Letztes Lied einer vergangenen Welt“ kehrt der Amerikaner zurück in dieses traditionsreiche wie einst zerrüttete Land und spannt den Bogen indes zeitlich und geografisch weiter.   „Rückblende – Anthony Marra „Letztes Lied einer vergangenen Welt““ weiterlesen

Zwei Frauen – Sofi Oksanen „Fegefeuer“

„Mein Mädchen, aus der Erde der Verzweiflung wachsen schlechte Blumen.“ 

Zwei Generationen treffen in einem Dorf im Westen Estlands aufeinander. Eines Tages findet die alte Aliide ein Bündel nur wenige Meter von ihrem Haus entfernt. Das Bündel erweist sich nach genauerem Hinsehen als ein Mensch. Es ist die junge Zara, die vor ihren Peinigern, zwei Zuhältern, geflohen war und sich in einem erbärmlichen Zustand befindet. Die eine nimmt die andere auf, beiden Frauen wohnen fortan unter einem Dach. Sie vereint ein trauriges Schicksal, das die finnische Autorin Sofi Oksanen in ihrem mehrfach preisgekrönten Roman „Fegefeuer“ auf atemberaubende und berührende Weise erzählt.  „Zwei Frauen – Sofi Oksanen „Fegefeuer““ weiterlesen

Überleben – Anthony Marra „Die niedrigen Himmel“

„Unter der Wolkendecke sahen ferne Städte und Dörfer winzig aus. Angreifer wie Angegriffene klammerten sich an ihre Handvoll Erde, aber am Ende lebte die Erde länger als die Hände, die sie umschlossen.“

Nahezu abseits unserer Gedankenwelt gab es einen Krieg, dem wenig später ein weiterer folgte. Bis heute erfährt Tschetschenien wenig Aufmerksamkeit – wie wohl eine Vielzahl jener Staaten, die nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Selbstständigkeit errungen haben.  Die Republik im Nordkaukasus wurde gleich zweimal von Krieg und Elend (1994 – 1996/1999 – 2009) getroffen. In seinem Debüt-Roman „Die niedrigen Himmel“ erzählt der Amerikaner Anthony Marra vom Leid der Bevölkerung und ihrem Kampf ums Überleben.  „Überleben – Anthony Marra „Die niedrigen Himmel““ weiterlesen

Am See – Sylvain Tesson „In den Wäldern Sibiriens“

„Es ist gut zu wissen, dass irgendwo auf der Welt in einem Wald eine Hütte steht, wo etwas möglich ist, das nicht allzu weit entfernt ist, vom Glück zu leben.“

Bücher über Aussteiger, ihre Naturerlebnisse und spirituellen Erfahrungen schießen wie Pilze aus dem Boden. „Ich bin dann mal weg“ ist nicht nur der Titel eines Bestsellers eines Prominenten. Er scheint eine Art Hilfeschrei zu sein angesichts einer immer hektischer werdenden Welt. Wir suchen den Zugang zu einem Leben in Stille und Bescheidenheit. Der französische Autor und Weltenbummler Sylvain Tesson hat sechs Monate in einer Hütte am russischen Baikalsee gelebt und eine andere Daseinsform für sich entdeckt. „Am See – Sylvain Tesson „In den Wäldern Sibiriens““ weiterlesen