Dana Vowinckel – „Gewässer im Ziplock“

„Würde es immer so weitergehen, dass eigentlich jede Erinnerung wie ein Film aus einem anderen Leben war, das sie niemals jemandem komplett offenbaren könnte?“

Literatur gewinnt ihren Stellenwert noch immer durch ihren Bezug zur Realität und in der Auseinandersetzung mit ihr. Wenn die Realität allerdings erschreckende Züge annimmt, sie sich in eine unvorhergesehene dramatische Richtung entwickelt, kann aus der Lektüre eine verstörende Erfahrung werden. Ende August erschien der Debütroman „Gewässer im Ziplock“ der Berliner Autorin Dana Vowinckel. Am 7. Oktober griff die palästinensische Terrororganisation Hamas Israel an. Und ich bin mittendrin in diesem Buch, das von einer jüdischen Familie, vom jüdischen Urschmerz infolge des jahrhundertelangen wie aktuellen Antisemitismus und des Grauens der Shoa sowie vom schwelenden Konflikt im Nahen Osten erzählt. „Dana Vowinckel – „Gewässer im Ziplock““ weiterlesen

Andreas Pflüger – „Ritchie Girl“

„Ich weiß, es gibt Erinnerungen, bei denen man schreien will.“

Obwohl so unendlich viel über den Zweiten Weltkrieg schon in der Vergangenheit berichtet, erzählt, geschildert worden ist, gibt es noch immer Geschehnisse, die erst jüngst ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind – weiße Flecken, die nun ausgefüllt werden und Konturen erhalten. Mehrere Jahre war ein Bericht des US-Justizministeriums unter Verschluss, der sich mit der engen Zusammenarbeit der USA mit hochrangigen Nazis auseinandersetzt. Ein brisantes Thema, mit dem sich Andreas Pflüger in seinem aktuellen Roman „Ritchie Girl“ auf herausragende Weise beschäftigt.

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Garrett M. Graff – „Und auf einmal diese Stille“

„Aber das hier war jenseits von allem, was man sich überhaupt vorstellen konnte.“

Jeder weiß, was er an diesem Tag gemacht hat, wo er gewesen ist. Der 11. September 2001 hat sich mit seinen schockierenden Ereignissen und Bildern in das Weltgedächtnis gebrannt. Rund 3.000 Menschen starben bei vier Flugzeugentführungen. Drei Maschinen flogen in das World Trade Center (WTC) in New York sowie in das Pentagon, den Hauptsitz des amerikanischen Verteidigungsministeriums in Washington, ein entführtes Flugzeug stürzte in Shanksville (Pennsylvania) nach dem Aufstand von Passagieren ab. Die Bilder der Terroranschläge, die kurz als Nine Eleven bezeichnet werden, gingen um die Welt, vor allem die der brennenden und einstürzenden Doppel-Türme des WTC. In seinem Band „Und auf einmal diese Stille“ vereint der amerikanische Journalist und Autor Garrett M. Graff mehrere Hundert Stimmen zu einer beeindruckenden Oral History dieses bedeutsamen Tages. „Garrett M. Graff – „Und auf einmal diese Stille““ weiterlesen

Benjamin Labatut – „Das blinde Licht“

„Wann haben wir aufgehört, die Welt zu verstehen.“

Genie: Überragende schöpferische Begabung, Geisteskraft. So erklärt der Duden das Wort, mit dem neben Künstler oft auch hochrangige und einflussreiche Wissenschaftler beschrieben werden. Mit dem Titel verbunden ist auch die Wahrnehmung, die schier übermenschliche Leistung der Hochbegabten nicht beschreiben oder gar erklären zu können. Sie scheinen aus der Welt gefallen zu sein und haben doch die Welt verändert. Vier der herausragenden Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts stellt der chilenische Autor Benjamin Labatut in seinem nicht minder herausragenden Debütroman „Das blinde Licht“ vor. Der Leser lernt darin Fritz Haber, Karl Schwarzschild, Alexander Grothendieck und Werner Heisenberg und ihre ganze eigene Welt kennen.  

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Katya Apekina – „Je tiefer das Wasser“

„Warum uns wieder da hineinziehen? Wir waren Kinder.“ 

Was will uns dieses Cover sagen? Mir erschien es etwas rätselhaft und mysteriös. Dieses Weiß unter den blauen Lettern des Titels, diese Augen. Doch wer das Debüt der russisch-amerikanischen Schriftstellerin Katyna Apekina bis zum Ende liest, wird den Sinn erkennen und erneut erschauern. Ihr großartiger, indes auch teils verstörender Roman erzählt von einer außergewöhnlichen Familie – die außergewöhnliche Beziehungen und Emotionen pflegen, die schließlich zu tragischen Ereignissen führen. „Katya Apekina – „Je tiefer das Wasser““ weiterlesen

Martyna Bunda – „Das Glück der kalten Jahre“

„Der junge Arzt wusste freilich, dass sich hinter der Maske dieses Humors schmerzliche Wunden verbargen.“ 

Rozela ist die erste im Dorf, die ein Haus aus Steinen errichtet. Da ist Abram, ihr ruheloser Mann, der es nirgendwo lange aushält, nicht einmal bei seiner Frau, längst tot. Verstorben im Jahr 1932 nach einem tragischen Unfall auf einer Baustelle. Fortan ist Rozela Witwe, allein erziehende Mutter dreier Töchter und eben Hausbesitzerin. Ihr eigenes Heim in dem kleinen Ort Dziewcza Góra soll in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zum Zentrum der Familie, zu einem Ort der Freude, aber auch des Schmerzes werden. Mit ihrem Debüt „Das Glück der kalten Jahre“ hat die preisgekrönte polnische Journalistin Martyna Bunda einen berührenden Roman über vier starke Frauen geschrieben, der zwar in der kaschubischen Provinz spielt, jedoch von großen historischen Ereignissen sowie persönlichen Schicksalsschlägen erzählt. „Martyna Bunda – „Das Glück der kalten Jahre““ weiterlesen