Ljuba Arnautović – „Junischnee“

„Einen Menschen ohne feste Wurzeln kann nichts halten.“

Als seine Tochter Nina geboren wird, pflanzt Fjodor einem alten Brauch nach einen Baum. Statt der traditionellen Birke greift er indes fälschlicherweise zu einer Pappel. Trotzdem sorgt der Baum für Freude, für ein alljährliches wiederkehrendes Ereignis: Junischnee heißt der weiße Flaum aus Pappelsamen im russischen Sommer und zugleich der neue Roman der österreichischen Autorin und Übersetzerin Ljuba Arnautović, mit dem sie an die wechselvolle Geschichte ihrer Familie erinnert, in die sich die Ereignisse des 20. Jahrhunderts eingeschrieben haben.  „Ljuba Arnautović – „Junischnee““ weiterlesen

Backlist #7 – John Wray „Die rechte Hand des Schlafes“

„Wie konnte das alles passieren?“

Obwohl ich allgemein sehr viel und sehr oft Literatur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts oder Bücher über jene Zeit lese, ist es Zufall, dass ich für diese Reihe „Backlist lesen“ nach Robert Seethealers Werk „Der Trafikant“ erneut zu einem Roman gegriffen habe, der sich mit dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich beschäftigt (ich werde in den kommenden Folgen wieder für etwas Abwechslung sorgen). Doch mit John Wray und seinem Debüt „Die rechte Hand des Schlafs“ verhält es sich dann doch etwas anders, als es auf den ersten Blick erscheint. „Backlist #7 – John Wray „Die rechte Hand des Schlafes““ weiterlesen

Backlist #6 – Robert Seethaler „Der Trafikant“

„Es sind komische Zeiten gerade. Oder vielleicht waren die Zeiten immer schon so komisch.“

Die Zeit ist schon eine merkwürdige Erscheinung. Sie rast dahin, man möchte sie festhalten. Manchmal lässt sie Wunden in Narben verwandeln. Manchmal glaubt man,  meint man, hat es sie schon einmal gegeben.  In diesen Wochen, Monaten denkt man oft an eine Zeit zurück, die schließlich die Schwärze und das Grauen gebracht hat. Damals begann sich der Horizont dunkel zu verfärben. Wer den vierten Roman Robert Seethalers mit dem recht unscheinbaren Titel „Der Trafikant“ in die Hand nimmt und ihn liest, wird Parallelen zwischen dem historischen Geschehen, das dem Österreicher als Vorlage diente, und aktuellen Erscheinungen feststellen. Doch nicht nur deshalb sollte man dieses großartige Werk lesen und immer wieder weiter empfehlen. „Backlist #6 – Robert Seethaler „Der Trafikant““ weiterlesen

Die Verwandlung – Daniela Emminger „Kafka mit Flügeln“

„Den Beginn einer Metamorphose entschied man nicht, er wurde entschieden.“

Es gibt Länder, die sind hierzulande kaum im Bewusstsein verankert, sie sind nicht Teil einer inneren Landkarte – weil sie kein beliebtes Touristenziel sind und kaum in den Schlagzeilen der Medien auftauchen. Man weiß, dass es sie gibt, aber auf die simplen Fragen, wie die Hauptstadt heißt, welche anderen Staaten angrenzen oder welche Traditionen gepflegt werden, werden wohl viele nichtwissend mit den Schultern zucken. Kirgistan ist so ein weißer Fleck. In das zentralasiatische Land, das bis 1991 zur Sowjetunion gezählt hat, entführt die österreichische Autorin Daniela Emminger in ihrem Roman „Kafka mit Flügeln“, der nicht nur geografische Grenzen, sondern auch Genre-Grenzen aufhebt. Dies ist mein Beitrag zur Indiebookchallenge 2018-2019, in der es in den kommenden Tagen um das Thema Roadtrip geht.

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Haus am See – Joshua Groß „Faunenschnitt“

„Ich wollte zulassen, was mir ins Bewusstsein kam, ich wollte nicht kategorisieren und gegeneinander ausspielen, sondern akzeptieren, dass Wirrheit nicht notwendigerweise Verwirrung ist.“

Spule ich das Band der Erinnerung zurück, wird mir klar: Solange ich diesen Blog führe und über Bücher schreibe, erhielt noch kein einziges Buch von mir das Prädikat „Fetzig“. Für alles gibt es ein erstes Mal, und dieser Augenblick scheint gekommen zu sein: mit dem neuen, nunmehr dritten Roman von Joshua Groß „Faunenschnitt“, der bereits mit seiner orangefarbenen Covergestaltung und der roten Schrift die Blicke auf sich zieht. Innen dann eine weitere Überraschung: Fotografien, die in ihrer verschlossenen Art nur durch das Papier scheinen. Die Seiten sind  per Schmetterlingsbindung so zusammengefügt worden, das der Leser sie mit einem Messer aufschneiden muss, um die doppelseitigen Bilder ansehen zu können. Ein Akt, der Überwindung erfordert. In früheren Zeiten alltäglich, erscheint er heute fremd und, zugegeben, etwas rabiat.    „Haus am See – Joshua Groß „Faunenschnitt““ weiterlesen