Dana Vowinckel – „Gewässer im Ziplock“

„Würde es immer so weitergehen, dass eigentlich jede Erinnerung wie ein Film aus einem anderen Leben war, das sie niemals jemandem komplett offenbaren könnte?“

Literatur gewinnt ihren Stellenwert noch immer durch ihren Bezug zur Realität und in der Auseinandersetzung mit ihr. Wenn die Realität allerdings erschreckende Züge annimmt, sie sich in eine unvorhergesehene dramatische Richtung entwickelt, kann aus der Lektüre eine verstörende Erfahrung werden. Ende August erschien der Debütroman „Gewässer im Ziplock“ der Berliner Autorin Dana Vowinckel. Am 7. Oktober griff die palästinensische Terrororganisation Hamas Israel an. Und ich bin mittendrin in diesem Buch, das von einer jüdischen Familie, vom jüdischen Urschmerz infolge des jahrhundertelangen wie aktuellen Antisemitismus und des Grauens der Shoa sowie vom schwelenden Konflikt im Nahen Osten erzählt. „Dana Vowinckel – „Gewässer im Ziplock““ weiterlesen

Sorj Chalandon – „Verräterkind“

„Aber was warst du dann, Papa?“

Als der gefürchtete Ex-Gestapo-Chef Klaus Barbie im Frühjahr und Sommer 1987 im Lyoner Justizpalast auf der Anklagebank sitzt, hat Sorj Chalandon, Auslandskorrespondent der französischen Tageszeitung Libération, in den Reihen der akkreditierten Reporter Platz genommen. Sein Vater verfolgt die öffentlichen Gerichtsverhandlungen als Zuschauer. Die Resonanz auf den Prozess ist riesig. Derweil eskaliert zwischen Vater und Sohn ein Konflikt. Chalandon erhält Informationen über die Vergangenheit seines Vaters, der über seine Rolle im Zweiten Weltkrieg seine Familie belogen hat. Mit seinem neuen autofiktionalen Roman „Verräterkind“ führt der Franzose sowohl in die 80er-Jahre und in die Zeit der deutschen Besatzung als auch in seine eigene Familiengeschichte.

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Richard Wagamese – „Das weite Herz des Landes“

„Sein Leben war auf die Geschichten verschwommener Geister gebaut.“

Die Gastland-Auftritte auf den Buchmessen Frankfurt und Leipzig ermöglichen es uns, in die Literatur eines Landes einzutauchen, bekannte wie unbekannte Autoren und ihre Werke kennen- und schätzen zu lernen. Das nordamerikanische Land Kanada wird coronabedingt nach der diesjährigen Frankfurter Online-Ausgabe im kommenden Jahr in der Main-Metropole erneut im Mittelpunkt stehen; hoffentlich in voller Präsenz mit vielen Gästen. Wer an Kanada, den zweitgrößten Staat der Erde, denkt, wird wohl atemberaubende Landschaften und menschenleere Wildnis vor Augen haben, die auch die Kulisse des großen Romans „Das weite Herz des Landes“ des Kanadiers Richard Wagamese bilden. „Richard Wagamese – „Das weite Herz des Landes““ weiterlesen

Edward Docx – „Am Ende der Reise“

„Von einem Menschen bleibt nur übrig, was er oder sie erschaffen hat.“

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen: Ein allseits bekannter und gern zitierter Spruch, den wohl viele von uns kennen. Doch nicht jede Reise endet mit einer freudigen Rückkehr. Dabei soll es an dieser Stelle und mit diesem Buch nicht um ein tragisches Unglück, sondern um ein noch immer aktuelles wie brisantes Thema gehen. Der Engländer Edward Docx erzählt in seinem wunderbaren Roman „Am Ende der Reise“ vom letzten Wunsch eines angesehenen Literaturprofessors, der sterbenskrank ist. „Edward Docx – „Am Ende der Reise““ weiterlesen

Gabriel Tallent „Mein Ein und Alles“

„Du vergisst, wer du bist, und du denkst, du könntest jemand anderes sein.“

Wenn Literatur auch immer ein Spiegel ist, in dem gesellschaftliche wie politische Diskurse und Probleme erkennbar werden, dann scheinen das Thema Waffen und Gewalt sowie das Leben der „Abgehängten“ noch immer brisant in den USA zu sein. Denn gleich zwei aktuelle wie auch viel besprochene Romane beschäftigen sich damit – vor allem mit Blick auf die Jugend und die Auswirkungen auf die jüngere Generation. Das sind Jennifer Clements Werk „Gun Love“ sowie das Debüt „Mein Ein und Alles“ des Amerikaners Gabriel Tallent, der dafür sehr viel Anerkennung sowohl in seinem Heimatland als auch hierzulande erhalten hat; für mein Befinden zu viel. „Gabriel Tallent „Mein Ein und Alles““ weiterlesen

Closeup der Erinnerung – Botho Strauß „Herkunft“

„Eigentlich gelangt man ja nur nach Hause in verschwommenen und undisziplinierten Empfindungen.“

Zwei Städte, zwei Flüsse, zwei Lebensgeschichten: Botho Strauß, 1944 in Naumburg an der Saale geboren, aufgewachsen in Bad Ems an der Lahn, zählt zu den großen literarischen Stimmen Deutschlands. Seine umfangreiche Werkliste umfasst Theaterstücke, Erzählungen und Essays. Für sein Schaffen wurde er mehrfach geehrt, so mit dem Lessing- und dem Büchner-Preis. Eines seiner jüngsten Bände, 2014 mit dem Titel „Herkunft“ im Hanser Verlag erschienen, ist ein Meisterwerk von Erinnerungsbuch.   „Closeup der Erinnerung – Botho Strauß „Herkunft““ weiterlesen